Standpunkt

Die Vatikan-Richtlinien zu Priestervätern offenbaren eine Doppelmoral

Veröffentlicht am 29.01.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Manche Kleriker werden "suspendiert", wenn sie Vater geworden sind – andere nicht: Die Richtlinien des Vatikans zum Umgang mit dem Thema Priesterkinder wirken befremdlich und verweisen auf ein ungelöstes Problem, kommentiert Tobias Glenz.

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Aus den bislang nicht öffentlichen vatikanischen Richtlinien zum Umgang mit Priestervätern und ihren Kindern wurden kürzlich überraschende Details bekannt: Demnach bedeutet die Vaterschaft eines Priesters nicht automatisch dessen Entfernung aus dem Klerikerstand – entscheidend sind vielmehr das Alter des Priesters und die Lebenssituation des Kindes. Was auf den ersten Blick gut klingt (das Kindeswohl im Vordergrund), entpuppt sich auf den zweiten Blick als zweischneidiges Schwert. Denn hier offenbart sich eine Doppelmoral.

Weitergedacht bedeuten die Bestimmungen doch Folgendes: Wessen Vaterschaft früh "auffliegt", der muss sich aus seinem bisherigen priesterlichen Leben definitiv verabschieden. Wer das 40. Lebensjahr bereits überschritten hat, wessen Kinder sich schon im Erwachsenenalter befinden, der darf – unter Umständen – weiter als Kleriker tätig sein. Es entscheidet also ein gutes Stück weit das "Glück". Oder anders: Wer das bessere Doppelleben führt, bleibt in Amt und Würden.

Darüber hinaus tangieren die Richtlinien eine weiterhin ungelöste Thematik der Kirche: die Frage nach dem verpflichtenden Zölibat und dem Bruch desselben. Die irische Interessen-Organisation "Coping International" geht von weltweit etwa 10.000 Priesterkindern aus. Beileibe also keine Einzelfälle. Bedeutet das aber tatsächlich, dass die zahlreichen betroffenen Priester als Seelsorger prinzipiell ungeeignet sind, nur weil sie sich nicht an den Zölibat gehalten haben? Dass ein Leben als Priester und Familienvater zugleich unmöglich ist?

Diesen Fragen muss die Kirche – gerade in Zeiten des Priestermangels – noch einmal grundsätzlich nachgehen. Hoffnung machen die Ergebnisse der Amazonas-Synode, die verheiratete Priester durchaus in Betracht gezogen hat, und auf deren päpstliches Abschlussdokument derzeit mit Spannung gewartet wird. Und auch der in Deutschland gestartete Synodale Weg, der in dieser Woche voll in seine inhaltliche Arbeit einsteigt, könnte und sollte entsprechende Impulse nach Rom senden: Der Zölibat ist auch weiterhin eine mögliche priesterliche Lebensform, aber er kann und darf nicht die einzige sein.

Von Tobias Glenz

Der Autor

Tobias Glenz ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.