Tag 1 der Synodalversammlung: Offene Worte für eine erneuerte Kirche
"Schluss mit dem Peniswahn", "Frauenweihe jetzt" und "Ist Jesus für uns Mann oder Mensch geworden?" Schon beim Eintritt in den Frankfurter Bartholomäus-Dom wurden die Teilnehmer der ersten Synodalversammlung mit den Forderungen und Fragen konfrontiert, die viele Gläubige bereits seit Jahrzehnten beschäftigen. Es sind diese Forderungen, die im vergangenen Jahr – neben den erschütternden Ergebnissen der kirchlichen Missbrauchsstudie – zu einem Reformprozess der Kirche in Deutschland geführt haben. Unmittelbar vor dem Beginn des Eröffnungsgottesdienst des Synodalen Wegs demonstrierten rund 100 Frauen und Männer der Bewegung "Maria 2.0" und der kfd vor dem Kaiserdom.
Alle, die an der Auftaktmesse teilnehmen wollten, mussten sich an den Demonstranten und ihren unbequemen Forderungen vorbeidrängen, die ein Spalier gebildet hatten. Doch anders als noch bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischöfe im vergangenen Jahr, bei der es eine ähnliche Aktion der kirchlichen Frauenbewegung gegeben hatte, blieben nun viele Bischöfe stehen und kamen mit den Katholikinnen ins Gespräch – wenn auch nicht längst alle Oberhirten.
Das kontroverse Potential der vier Hauptthemen des Synodalen Wegs – Macht und Gewaltenteilung, Frauen in der Kirche, Priesterliche Existenz sowie Partnerschaft und Sexualität – zeigte sich zudem in der Gegenwart einer kleinen Gruppe von Gegendemonstranten. Etwa 20 meist junge Männer und Frauen beteten nur wenige Meter von den kfd-Mitgliedern entfernt den Rosenkranz. Eine Fatima-Madonna zur Unterstützung dabei, zeigten sie durch ihre Anwesenheit, dass sie mit den Inhalten des Reformprozesses unzufrieden sind. Sie machten deutlich, dass sie die Zukunft der Kirche in ihrer Vergangenheit sehen.
Doch die konservativen Demonstranten waren nicht die einzigen, die sich eine andere Ausrichtung des Synodalen Wegs wünschen und ihren Unmut öffentlich kundtaten. An vielen Hauswänden und Bushaltestellen in der Frankfurter Innenstadt klebten seit heute Nachmittag Plakate, die dazu aufrufen, Missbrauchstätern ihre gerechte Strafe zukommen zu lassen. Im Vorfeld der Synodalversammlung hatte zudem die Vereinigung "Eckiger Tisch" eine Neuregelung der Entschädigungsleistungen für Opfer sexualisierter Gewalt in der Kirche gefordert. Matthias Katsch, ihr Sprecher, kritisierte die deutschen Bischöfe dafür, dass sie auch zehn Jahre nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandal keine einheitliche Regelung zur Entschädigung getroffen haben. "Der Synodale Weg kann nicht begonnen werden, während die Opfer draußen vor der Tür stehen und noch auf eine Antwort warten", so Katsch, der sich für das Modell einer pauschalen Entschädigungszahlung von 300.000 Euro stark macht.
Keine Missbrauchsopfer unter den Synodalen – "Skandal"
Auch die Theologin Katharina Westerhorstmann forderte eine baldige Entscheidung zu den Entschädigungszahlungen. "Dieses Thema liegt den Betroffenen sehr am Herzen und die Entschuldigungen allein genügen nicht", betonte die Moraltheologin gegenüber katholisch.de. Es müsse sichtbar werden, dass die Kirche konsequent gegen Missbrauch vorgehen wolle. Kardinal Reinhard Marx sagte vor Beginn der Synodalversammlung, dass er mit einer baldigen Einigung bei diesem Thema rechne. Es handele sich um ein sehr komplexes Thema, gab der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Präsident der Synodalversammlung zu. Er hoffe jedoch, dass auf der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Mainz eine Entscheidung falle.
Eine Möglichkeit, das Leid der Missbrauchsopfer anzuerkennen, wäre eine Vertretung in der Synodalversammlung gewesen, findet Westerhorstmann. "Doch es gibt keine Betroffenen unter den Teilnehmern – das ist ein Skandal", so die Theologin. Dabei hatte es noch bis einen Tag vor der ersten Sitzung des obersten Gremiums des Synodalen Wegs einen freien Platz gegeben. Erst am Mittwoch hatten die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eine finale Teilnehmerliste veröffentlicht und die verbleibenden Plätze mit einer Lyrikerin, einem ehemaligen Bundesministerin und dem Frankfurter Stadtdekan besetzt. Die anderen Teilnehmer waren bereits vor anderthalb Monaten bekanntgegeben worden.
Betonung des Miteinanders
Dass sich die Organisatoren des Synodalen Wegs um ein gutes Miteinander und die Gleichberechtigung aller Teilnehmer bemühen, wurde bei der Eröffnungsmesse deutlich: Neben Kardinal Marx konzelebrierten lediglich zwei weitere Oberhirten in dem Gottesdienst – wohl auch, um keinen klerikalistischen Tendenzen Vorschub zu leisten. Alle anderen Bischöfe und Priester saßen in den Bänken des Doms, oft neben Laien, die ebenfalls Mitglieder der Synodalversammlung sind, und auch in den hinteren Reihen. Dazu passte, dass Kardinal Marx und ZdK-Präsident Thomas Sternberg bei der Pressekonferenz zu Beginn des Treffens für ein Miteinander innerhalb der Kirche geworben hatten. "Wir wollen nicht mehr gegeneinander, und der eine über den anderen reden", so Marx. Er hoffe und bitte, "dass alle, die sich Christen nennen, sorgsam miteinander umgehen und Respekt vor dem anderen haben".
Gleichzeitig nannte Sternberg die Befürchtung, dass durch die Beschlüsse des auf zwei Jahre angelegten Synodalen Wegs eine deutsche Nationalkirche entstehen werde, "völligen Unfug". "Nichts liegt uns ferner", so Sternberg. Marx betonte, es brauche einen "realistischen Plan" für die Erneuerung der Kirche in Deutschland. Damit hoffte der Kardinal sicher auch, die großen Hoffnungen an den Reformprozess zu senken. In den Wochen, bevor der Synodale Weg mit dem Beginn der Synodalversammlung nun volle Fahrt aufgenommen hat, hatten DBK und ZdK ein intensives "Erwartungsmanagement" betrieben, um realistisch auf den Reformprozess zu schauen.
Der Synodale Weg solle ein "geistlicher Weg" sein, wie Marx in seiner Predigt betonte. Er sei ein "spirituelles Experiment", dass es in dieser Form bisher noch nicht gegeben habe. Einen Vorgeschmack, wie die Teilnehmer zu dieser Aussage stehen, zeigte sich in den geistlichen Zeugnissen, die nach der Eröffnungsmesse von sechs Mitgliedern der Versammlung gehalten wurden und in denen sie erklärten, warum sie glauben. Doch nicht alle beschränkten sich auf spirituelle Aspekte. So forderte die Gemeindereferentin Michaela Labudda auf die Kirche bezogen: "Wir müssen unseren Laden aufräumen." Sie habe schon viele Gläubige und pastorale Mitarbeiter kennengelernt, die aufgrund des Reformstaus resigniert hätten.
Passaus Bischof Stefan Oster betonte hingegen, dass die Anwesenheit Gottes das "alles entscheidende Thema für die Kirche sei", und nicht Strukturen oder Papiere. Er engagiere sich beim Synodalen Weg, um diesen Glauben an die Realpräsenz Gottes wieder zu stärken. Der Kirche fehle die Mystik, was zu einer Krise geführt hatte. Die Benediktinerin Philippa Rath forderte offene Gespräche "ohne Tabuisierung, Denkverbote und Vorverurteilungen". Niemandem dürfe die Rechtgläubigkeit abgesprochen werden. Und schließlich erklärte der Eichstätter Synodale Christian Gärtner unter Anspielung auf den priesterlichen Pflichtzölibat: "Ich habe zu gerne Sex, um den Beruf des Priesters zu ergreifen." Die Teilnehmer der Synodalversammlung nahmen offensichtlich kein Blatt vor den Mund – das sind mit Sicherheit gute Voraussetzungen für die kommenden Etappen des Synodalen Wegs.