Christoph Braß hat für katholisch.de Tagebuch geführt

ZdK-Vizepräsident: So habe ich die erste Synodalversammlung erlebt

Veröffentlicht am 01.02.2020 um 13:12 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Wie erlebt ein Teilnehmer die erste Synodalversammlung? Welchen Eindruck hat er von den Debatten? Der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Christoph Braß, gibt katholisch.de einen Einblick in sein Synodaltagebuch.

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2. Dezember 2019

Heute ist meine Einladung zur Synodalversammlung gekommen. Der Text ist ein wenig merkwürdig; fast so, als hätte die Verfasser unterwegs ein wenig der Mut verlassen: "Sie werden als Mitglied der Synodalversammlung den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland mitgestalten. Darüber freuen wir uns sehr." Vorläufiges Fazit: Ich bin durchaus skeptisch. Dennoch sollten wir es auf jeden Fall versuchen! Es steht zu viel auf dem Spiel.

Mittwoch, 29. Januar 2020

In letzter Zeit bekomme ich öfter Mails von unbekannten Menschen. Die meisten sind durchaus höflich. Aber manche sind unendlich lange. Im Übrigen haben die meisten Mail-Schreiber anscheinend die Agenda nur peripher zur Kenntnis genommen. In einer Mail wird die Rückkehr zu einer "unverfälschten Glaubenslehre" gefordert. Das ist natürlich sehr schön, aber was heißt das ganz konkret? In einer anderen Mail heißt es deutlich anklagend, wir forderten die Abkehr vom "Pflichtzölibat". Dabei hat die Synodalversammlung noch gar nicht getagt. Die Missbrauchsthematik, der primäre Grund unseres Treffens, spielt dagegen in keiner der Zuschriften eine Rolle.

Bild: ©katholisch.de/rom

100 Frauen und Männer der Bewegung "Maria 2.0" demonstrieren bei der ersten Synodalversammlung vor dem Frankfurter Bartholomäus-Dom.

Donnerstag, 30. Januar 2020

Ich fahre nach Frankfurt. Abends ist im Dom ein festlicher Gottesdienst, der die Versammlung eröffnet. Zuvor versammeln wir uns im Pfarrsaal. Auf dem Papier sind wir 230 Menschen. Im Saal herrscht gute, fast ausgelassene Stimmung. Jeder spricht mit jedem. Wer sich kennt, begrüßt sich; wer sich nicht kennt, macht sich bekannt. Laien und Kleriker in einer bunten Mischung. Ein schönes Bild!

Dann geht es zum Dom. Auf dem Platz davor stehen viele Menschen: neugierig, skeptisch, manche abwartend. Auch Protestgruppen sind dabei: Maria 2.0, der "Eckige Tisch" und viele weitere. Alles ist friedlich und entspannt. Es hängt sehr viel davon ab, wie die nächsten Tage in Frankfurt verlaufen werden.

Zwei Sätze aus der Predigt von Kardinal Marx sind mir besonders in Erinnerung geblieben: "Vor Gott gibt es keine Selbstermächtigungen." Und: "Wie schwer es ist, Autorität haben zu können, ohne über andere herrschen zu wollen."

31. Januar 2020

Jetzt geht die Synodalversammlung richtig los. "Synodalität im Lichte des Briefes von Papst Franziskus" hat der Theologe Thomas Söding sein Einführungsreferat überschrieben. Das Referat war gut, aber in der nachfolgenden Diskussion wird gleich etwas ganz anderes diskutiert. Die Missbrauchsstudie rückt sehr schnell in den Vordergrund. Und das ist gut so! Viele Wortmeldungen.

Anschließend wird die Geschäftsordnung aufgerufen. Zahlreiche Änderungsanträge. Ich beneide die nicht, die vorne sitzen und moderieren müssen. Vor allem die Besetzung der vier Foren sorgt für hitzige Debatten. Fakt ist, dass eigentlich zu wenig Plätze eingeplant sind. Schließlich gab es noch einen charmanten Antrag, dass „"ie Mitglieder der Synodalversammlung" sich nur "mit Nachnamen und ohne akademischen oder kirchlichen Titel" ansprechen sollten. Aber trotz des engagierten Werbens einiger Mitglieder. bekam der Antrag keine Mehrheit. Eigentlich schade...

Der Tag ist schon fast zu Ende, doch es folgen noch die Berichte zu "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche", "Aufarbeitung und Aufklärung des sexuellen Missbrauchs" sowie "Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit". Ich merke, dass ich langsam müde werde.

Erste Synodalversammlung in Frankfurt
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Teilnehmer an langen Tischen beim Auftakt der Beratungen der Synodalversammlung am 31. Januar 2020 im Dominikanerkloster in Frankfurt.

Nach dem Abendessen habe ich noch etwas Zeit und spaziere über den Domplatz. Ich höre leisen Gesang und gehe neugierig in die Kirche. Drinnen ist eine Messe für Frauen – natürlich sind auch Männer dabei. Die Frauen tragen ihre Fürbitten vor. Es gibt Wechselgesang. Alles ist sehr schön und würdig. Der Dom ist beinahe bis auf den letzten Platz gefüllt. Jedenfalls deutlich mehr als beim Eröffnungsgottesdienst des Synodalversammlung. Bischöfe habe ich keine gesehen. Klar, die müssen auch tagen.

Die Frauen wagen etwas – und setzen sich damit auch Kritik aus. Und wir Männer? Wir sitzen immer noch auf unserem hohen Ross und behaupten mit mehr oder weniger stichhaltigen Begründungen, dass nur Männer in der Kirche Christi Priester sein könnten. Wieso eigentlich?

Als ich später ins Hotel gehe, gehen viele Frankfurter aus. In den Gaststätten herrscht geschäftiges Kommen und Gehen. Ein paar Galerien sind erleuchtet, darinnen stehen Menschen und gestikulieren angeregt. Was erwarten die Leute eigentlich noch von uns? Trauen sie uns überhaupt noch etwas zu? Wollen sie uns überhaupt noch hören? Und was sollten wir ihnen sagen? Der evangelische Stadtdekan von Frankfurt hatte uns am Morgen in seinem Grußwort erzählt, dass nur noch 40 Prozent der Frankfurter in einem christlichen Kirche sind. Was können wir dem entgegensetzen? Sollen wir es weiter auf der immer kleiner werdenden "heiligen Rest" konzentrieren? Oder sollten wir nicht lieber ganz von vorne anfangen?

1. Februar 2020

Der dritte Versammlungstag. Ein dichtes Programm: zunächst Nachwahlen diversen Kandidaten in die Einzelforen. Dann wieder Tagesordnung: "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" und "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft". Viele Wortmeldungen; engagierte Diskussion. Es bleibt spannend...

Von Christoph Braß