Woelki: Viele Argumente der Synodalen mit Lehre nicht vereinbar
Mit einigen seiner Amtsbrüder hatte Kardinal Rainer Maria Woelki während der ersten Synodalversammlung beantragt, dass es bei der Abstimmung über die Vorlagen der thematischen Foren Einmütigkeit statt einer Mehrheit geben solle. Zudem brachte er einen Ausschluss der medialen Öffentlichkeit bei bestimmten Punkten der Tagesordnung ins Spiel. Beides wurde abgelehnt. Doch das ist nicht der Grund, warum der Kölner Erzbischof ein nicht allzu gutes Fazit der drei Tage in Frankfurt zieht.
Frage: Herr Kardinal, die Mehrheit der Synodalversammlung hat sich gegen Ihre Positionen entschieden. Akzeptieren Sie das?
Woelki: Es bleibt mir gar nichts anderes übrig. Was ich allerdings beklage, ist die Intransparenz bei der Besetzung der Themenforen. Aus meiner Sicht ist es schwierig, dass da einerseits Leute ausgeschlossen worden sind und andererseits auch nicht klar war, nach welchen Kriterien die Auswahl der Personen erfolgt ist und wer sie festgelegt hat. Ich hätte dafür plädiert, dass alle Mitglieder der Synodalversammlung, die in einem Forum mitarbeiten möchten, das auch können. Warum denn nicht? Dann hätten wir vielleicht zwei oder drei Gruppen zu einem Thema gehabt, deren Ergebnisse nachher von einer Redaktionsgruppe zusammengetragen werden. So hätte man niemanden ausschließen müssen.
Frage: Kardinal Marx hat bei der Eröffnung gesagt, man wolle miteinander und nicht mehr gegeneinander reden. Wie haben Sie die Diskussionskultur wahrgenommen?
Woelki: Wir reden miteinander. Aber wenn man das tut, tut man es oft auch kontrovers, das ist die natürlichste Sache der Welt. Es wird ja immer wieder betont, wie wichtig es ist, dass diese Versammlung so besetzt ist, dass die unterschiedlichsten Stimmen in der Kirche auch zu Wort kommen können. Bei den Synodalversammlungen gibt es ja auch Menschen, die aus ihrer Liebe zur Kirche und aus ihrer Überzeugung heraus gegen mich und gegen das, wovon ich glaube, dass es für die Zukunft der Kirche wichtig ist, das Wort ergreifen. Kurzum, miteinander reden schließt die notwendige Kontroverse mit ein.
Frage: Wir sprachen bereits über Mehrheiten. Es ist ja durchaus möglich, dass Mehrheiten in Deutschland keine weltweiten Mehrheiten sind. Wozu könnte das führen?
Woelki: Ich habe im Vorfeld bereits davor gewarnt, dass wir möglicherweise einen deutschen Sonderweg beschreiten. Das ist in Abrede gestellt und mir zum Vorwurf gemacht worden. Wir müssen es jetzt abwarten. Am Ende wird die Geschichte zeigen, wer Recht behalten hat. Ich glaube, dass viele Argumente, die bei der ersten Synodalversammlung vorgebracht worden sind, mit dem Glauben und der Lehre der Universalkirche nicht vereinbar sind. Mein Eindruck ist, dass vieles, was zur theologischen Erkenntnislehre gehört, hier bei uns nicht mehr geteilt wird, und man stattdessen glaubt, die Kirche ganz neu und anders gestalten zu können. Der Blick auf die Tradition der Kirche spielt da keine große Rolle mehr.
Frage: Dass sich etwas ändern muss, ist angesichts des Missbrauchsskandals und der vielen Katholiken, die die Kirche verlassen, offensichtlich. Wie geht es also weiter?
Woelki: Natürlich müssen die Verbrechen in der Kirche rückhaltlos aufgearbeitet werden. Es geht um Transparenz in den Entscheidungswegen und um das, was wir beim Synodalen Weg jetzt als "Macht und Gewaltenteilung" bezeichnen. Auch ein kirchliches Strafgericht ist für mich selbstverständlich. Und es stimmt sicher, dass Menschen aus der Kirche austreten, weil sie von uns Bischöfen oder den Priestern enttäuscht sind. Aber es verlassen auch viele die Kirche, weil sie ihren Glauben nie richtig kennengelernt haben. Deshalb ist das, was der Papst mit Blick auf den Primat der Evangelisierung sagt, von zentraler Bedeutung. Wir müssen Menschen den Glauben und die Lehre der Kirche wieder vertieft erklären. Diese Lehre ist ein Schatz, der nicht einengen will, sondern frei macht.
Frage: Tut die Lehre der Kirche das?
Woelki: Es wird ja immer schnell von einer Verbotsmoral gesprochen. Aber wenn ich einen Menschen liebe, dann verbietet sich für mich manches. Das ist dann aber keine Verbotsmoral, sondern ein Gebot der Liebe. Entscheidend ist bei der Evangelisierung die Christusbeziehung. Aus der Art und Weise, wie ich die Beziehung zu Christus gestalte und lebe, entsteht auch eine Ethik, aus der heraus sich manche Dinge ausschließen. Darüber, über Christus und die Frage, wie wir den Menschen zu einer vertieften Christusbeziehung verhelfen können, müssten wir beim Synodalen Weg sprechen. Leider war davon beim Auftakt wenig zu spüren.