Kräutler: Zölibat nicht höher gewichten als die Eucharistie
Der emeritierte Amazonas-Bischof Erwin Kräutler ist enttäuscht über fehlende Reformen beim Zölibat und der Frauenfrage. "Man kann die Frage des Zölibats nicht höher gewichten als die Frage der Eucharistie", sagte Kräutler am Montag in einem Interview dem Schweizer Portal "kath.ch". Das Volk am Amazonas habe das Recht, jeden Sonntag die Eucharistie zu feiern. Wenn "etwas Wichtiges oder Schlimmes" in den Gemeinschaften passiere, sei ein Priester nie vor Ort. "Mehr denn je brauchen wir die Verwalter der Sakramente", so Kräutler.
Schon heute stützten Laien die Kirche Amazoniens. Es gebe Gemeinden, die über genügend Diakone verfügten. "Aber außer der Taufe dürfen sie keine Sakramente spenden. Der Diakon hat eher eine soziale Funktion, seine kirchlichen Kompetenzen sind beschränkt", so der emeritierte Bischof von Xingu in Brasilien. Dass der Papst die Tür für die Diakoninnen-Weihe schließe, sei ein strategischer Fehler – insbesondere im Hinblick auf "den Vormarsch der protestantischen Kirchen". Durch die fehlende Wertschätzung der Rolle der Frau im Papstschreiben sei "eine Chance vertan" worden, da "in mindestens 70 Prozent" der Gemeinden im Amazonasgebiet Frauen dafür verantwortlich seien, "dass die Kirche ordnungsgemäß funktioniert", sagte Kräutler weiter.
Kräutler weiß nicht, wie er Ergebnisse erklären soll
Er wisse nicht, wie er den Gläubigen die Ergebnisse des Papst-Schreibens erklären solle. "Ich habe wirklich größere Fortschritte bei diesem Thema erwartet, denn es ist eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit", so der 80-Jährige. Viele Menschen seien wie er "perplex" und könnten nicht verstehen, warum weder "viri probati" noch eine Diakoninnen-Weihe in das päpstliche Schreiben aufgenommen wurden. "Ich finde es sehr seltsam, dass es in dem Text keinerlei Anspielung darauf gibt, obschon sich mehr als zwei Drittel der Bischöfe dafür ausgesprochen haben." Man könne aber auch feststellen, dass der Papst die Diskussion darüber nicht beendet habe.
"Ich denke übrigens, dass das Thema weiterhin zur Sprache gebracht wird, insbesondere von den Bischöfen, die, wie ich, an der Synode für die Weihe von 'viri probati' gestimmt haben." Die Synode habe wahrscheinlich dazu gedient, die Debatte über dieses Thema zu lancieren.
Die Forderung des Papstes an Bischöfe, Missionare dazu zu bewegen, sich für das Amazonasgebiet zu entscheiden, genügt aus Sicht Kräutlers nicht. Seit den 1970er Jahren werde versucht, Berufungen nach Amazonien zu lenken. "Das Problem des Priestermangels kann nur gelöst werden, indem man aus dem Reichtum von Amazonien schöpft. Das weiß ich, weil ich das Gebiet seit langem kenne", sagte Kräutler.
Drei weitere Visionen des Papstes das, was Bischöfe sehen wollten
Die soziale, kulturelle und ökumenische Vision des Papstes in "Querida Amazonia" dagegen habe zum Ausdruck gebracht "was wir, die Bischöfe, sehen wollten", so Kräutler. Die Umsetzung des Schreibens habe mit ersten Treffen und Versammlungen bereits begonnen. Man werde nun die Treffen intensivieren, um die vom Papst skizzierten Themen zu verbreiten. "Und vergessen Sie nicht, dass dieses Dokument zusammen mit dem Schlussdokument der Synode zu lesen ist", so Kräutler.
Der Österreicher Erwin Kräutler ist emeritierter Bischof und war von 1981 und 2015 Prälat und Bischof von Xingu, der flächenmäßig größten Diözese Brasiliens. Der 80-Jährige nahm an der Amazonas-Synode im Oktober teil und hatte als Vizepräsident des internationalen kirchlichen Amazonas-Netzwerks Repam entscheidenden Einfluss auf deren Vorbereitung. Für seinen lebenslangen Einsatz für die Rechte indigener Völker und das Engagement gegen die Zerstörung des Amazonas wurde Kräutler mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. (cbr)