Benedikt XVI.: Habe Missbrauchspriester nicht getroffen
Benedikt XVI. hat einen ZDF-Bericht zurückgewiesen, laut dem er im Jahr 2000 einen Missbrauchstäter getroffen haben soll. Gegenüber der Zeitung "Die Tagespost" ließ der emeritierte Papst am Mittwoch erklären, dass er lediglich den damaligen Münchner Weihbischof Heinrich von Soden-Fraunhofen besucht habe. Es habe zu diesem Anlass jedoch weder eine Begegnung mit dem Priester noch ein Gespräch mit ihm gegeben.
Nachforschungen der Fernsehredaktion "Frontal21" und des Recherchezentrums "Correctiv" zufolge gab es mehr Berührungspunkte zwischen dem als "H." bezeichneten Täter und dem späteren Papst, als bisher bekannt war. Der Fall erregte 2010 weltweit Aufsehen, als amerikanische Medien herausfanden, dass der vorbelastete Geistliche 1980 mit Billigung des damaligen Erzbischofs Joseph Ratzinger unter Auflage einer Therapie in München als Seelsorger aufgenommen wurde. H. war jahrzehntelang weiter in der Pfarrseelsorge im Erzbistum München-Freising tätig. Daran änderte auch ein erneuter Missbrauch nichts, für den er 1986 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Erst 2010 erfolgte seine Suspendierung vom Priesteramt, zuvor hatte es weitere Vorwürfe wegen übergriffigen Verhaltens bei Minderjährigen gegeben.
Was passierte im Jahr 2000?
Die am Dienstag veröffentlichten Recherchen legten die Vermutung nahe, dass Ratzinger, der von 1982 bis 2005 die Glaubenskongregation im Vatikan leitete, auch in dieser Zeit von der fortdauernden Beschäftigung des Priesters gewusst haben könnte. Ab 2001 war Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation von Amts wegen weltweit für die Verfolgung von Missbrauchs-Verbrechen im katholischen Klerus zuständig.
Eine Schlüsselfigur für die neuen Recherchen ist der im Juli 2000 verstorbene Weihbischof von Soden-Fraunhofen. Mit ihm war Ratzinger seit Studienzeiten befreundet. Er lebte von 1993 bis 2000 in Engelsberg, der Nachbargemeinde von Garching an der Alz, wo H. von 1986 bis 2008 unter Auflagen als Seelsorger tätig war. Von Soden hatte die Aufgabe, den Missbrauchstäter H. zu überwachen. Unklar blieb, ob er Ratzinger in den 1990er-Jahren weiter über den Fall H. auf dem Laufenden hielt. Als der Kardinal im Jahr 2000 seinen sterbenskranken Studienfreund besuchte, traf er den Recherchen zufolge zufällig auch auf H. Ob Ratzinger ihn erkannte, ist demnach nicht bekannt.
Das Bistum Essen rechnet unterdessen mit weiteren Opfern von H., die sich melden. Namentlich seien bisher acht Betroffene bekannt, die der damalige Kaplan in Bottrop zwischen 1973 und Ende 1979 missbraucht habe, sagte Sprecher Ulrich Lota am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das Bistum vermute anhand der Schilderungen der bekannten Betroffenen derzeit fünf weitere Opfer. Allerdings seien keine Namen genannt worden. In der Vergangenheit, so Lota weiter, habe man bereits mehrfach dazu aufgerufen, dass sich Betroffene melden sollen. Nach den aktuellen Medienberichten werde das Bistum "sicherlich überlegen, ob wir das noch ein weiteres Mal tun müssen". (tmg/KNA)
19.2., 12:55 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme des Bistums Essen.