Gonzalo Aemilius – der neue Privatsekretär von Papst Franziskus
"Franziskus hat seinen Georg gefunden" – so titelte die italienische Ausgabe der Online-Zeitung "Huffington Post" als der Vatikan Ende Januar öffentlich machte, dass der Papst einen neuen Privatsekretär bekommt: den uruguayischen Priester Gonzalo Aemilius. Diese Anspielung auf Erzbischof Georg Gänswein, der während des Pontifikats von Benedikt XVI. auch als "George Clooney des Vatikan" bezeichnet wurde, bezieht sich neben dem gleichen Amt, das sie ausfüllen, wohl auch auf die durchaus ähnliche äußere Erscheinung der beiden Männer. Doch während Gänswein als Benedikts Sekretär bis heute die Nähe der Medien sucht, hat sich Aemilius für einen anderen Weg entschieden: Kurz vor der Bekanntgabe seiner neuen Aufgabe löschte der Lateinamerikaner seine sämtlichen Social-Media-Kanäle – auf denen er zuvor sehr aktiv gewesen war. Ein eindeutiger Hinweis darauf, dass Aemilius fortan im Hintergrund für seinen neuen Dienstherrn Franziskus wirken möchte, mit dem ihn eine lange Freundschaft verbindet.
Armenpriester werden zu Vorbildern
Aemilius wurde 1979 in Uruguay geboren, dem kleinen Nachbarland Argentiniens am Río de la Plata. Beide Nationen verbinden ein sehr ähnlicher spanischer Dialekt sowie eine große Vorliebe für Mate-Tee und Fußball. Aemilius wuchs in der Hauptstadt Montevideo wohlbehütet in einer bürgerlichen, aber atheistischen Familie auf. Sein Vater war Buchhalter, seitens seiner Großmutter hat er jüdische Wurzeln. Dennoch ließ sich Aemilius im Alter von elf Jahren taufen. Das Vorbild von Priestern, die ihr Leben der Hilfe für Straßenkinder gewidmet hatten, bewegte ihn zu diesem Schritt. Er sei "überrascht gewesen vom Lachen und der Freude in den Gesichtern" dieser Geistlichen, sagte Aemilius später in einem Interview. Beeindruckt hätte ihn zudem, dass die Priester ihre Arbeit "trotz Todesdrohungen" weitergeführt haben.
Mit 18 Jahren entschloss sich Aemilius dazu, selbst Priester zu werden und sein Leben ebenfalls in den Dienst der Armen zu stellen. Zu dieser Zeit war er ein ganz normaler Teenager: Er trug lange Haare, war ein leidenschaftlicher Fußball-Fan, hörte Rock'n'Roll, war bei den Pfadfindern aktiv und hatte feste Freundinnen. Unverständnis für seine Entscheidung schlug ihm weniger aus dem Elternhaus als vielmehr aus dem Freundeskreis entgegen. Doch Aemilius folgte seiner Berufung und wurde nach dem Theologiestudium 2006 zum Priester geweiht. Ein Jahr zuvor war der charismatische Geistliche bereits zum Leiter einer kirchlichen Schule in einem Problemviertel Montevideos ernannt worden, in der Kinder aus armen Familien eine gute Schulbildung erhalten.
Aemilius entwickelte sich schnell zu einem Vorbild für viele seiner Schüler, da er es versteht, sie anzusprechen. In seinen Predigten verwendet er oft Lieder lateinamerikanischer Rock-Gruppen als Einstieg, um der Botschaft des Evangeliums auf den Grund zu gehen. Er wird als "demütig, visionär und beharrlich" charakterisiert. Als Aemilius auf der Suche nach Spenden für seine Armenschule war, lernte er Kardinal Jorge Mario Bergoglio im nahen Buenos Aires kennen. Der heutige Papst war sofort fasziniert von der Leidenschaft des jungen Priesters und zwischen beiden entwickelte sich eine geistliche Freundschaft, die sich durch regelmäßige Treffen und Telefonate vertiefte.
Franziskus macht Aemilius zum wohl bekanntesten Priester Uruguays
Als Bergoglio zum Papst gewählt wurde, reiste Aemilius nach Rom, um seinen geistlichen Lehrer zu treffen. Seine Eltern kauften ihm das Flugticket, da sie wussten, wie sehr er Franziskus verehrt. In einem Gottesdienst im März 2013, kurz nach dem Konklave, erkannte Franziskus seinen Freund in der Menschenmenge und rief ihn vor die Gemeinde an den Altar. Das Kirchenoberhaupt bat die Anwesenden darum, für Aemilius und seine Arbeit mit den Straßenkindern Montevideos zu beten. Dadurch wurde der Geistliche zum wohl bekanntesten Priester Uruguays. Der telegene Aemilius wurde zum mehrfachen Gast in Talkshows und erhielt die "runde" Mitgliedsnummer 60.000 seines Lieblingsclubs "Atletico Peñarol" – eine außergewöhnliche Ehre im fußballverrückten Uruguay. Die hohe Telefonrechnung von 3.000 Euro, die er von seiner Reise nach Rom mitgebracht hatte, erließ ihm die Telefongesellschaft kurzerhand.
Es ist anzunehmen, dass der Straßenpriester und der Pontifex auch in den vergangenen Jahren den Kontakt gehalten haben – zumal Aemilius bis vor kurzem in Rom Theologie studiert hat. Im vergangenen Monat verteidigte er seine Dissertation und beendete damit sein Studium an der Universität Gregoriana. Das Thema der Doktorarbeit: Die Herausforderungen der Postmoderne für die Kirche in Uruguay. Mit Aemilius hat Franziskus nun einen neuen Privatsekretär, der keine Karriere im Vatikan gemacht hat, wie dessen Vorgänger Fabian Pedacchio, der nach sechs Jahren im Dienst von Franziskus wieder in Vollzeit auf seinen Posten in der Bischofskongregation zurückgekehrt ist. Das Kirchenoberhaupt hat nun vielmehr einen Vertrauten an seiner Seite, der für ihn das Idealbild eines Priesters darstellt: Tiefgläubig, intelligent, charismatisch, modern und mit einem offenen Ohr für die Sorgen der Menschen.