Historische Herkules-Aufgabe
Es ging um eine Kurienreform, eine Umstrukturierung der Kirchenleitung. Und so dürfte wohl gegenwärtig kaum ein päpstliches Dokument so aufmerksam studiert werden wie jenes Schreiben mit dem deutschen Titel "Guter Hirte", das vor 25 Jahren, am 28. Juni 1988, von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) veröffentlicht wurde.
Eine Art Verfassung der römischen Kurie
"Pastor Bonus" ist eine Art Verfassung der römischen Kurie, des zentralen Leitungsorgans der katholischen Kirche. Wer wissen will, wie der vatikanische Verwaltungsapparat aufgebaut ist und wie er funktioniert, muss das 45 Seiten umfassende Gesetz lesen. Auch wenn Benedikt XVI. (2005-2013) zuletzt etliche Änderungen verfügte, gilt "Pastor Bonus" im Wesentlichen bis heute. Vor tiefgreifenderen Einschnitten scheute Benedikt XVI. zurück. Er wusste nur zu gut aus langjähriger Erfahrung, dass eine Kurienreform eine Herkules-Aufgabe ist.
In 25 Jahren hat sich aus Sicht vieler Bischöfe und Kardinäle erheblicher Änderungsbedarf ergeben. Vor allem die Forderung nach einer kollegialeren Kirchenleitung, einem Stutzen des Staatssekretariats und nach einem leichteren Zugang der leitenden Kurienmitarbeiter zum Papst ist immer wieder zu hören. Als ebenso dringlich wird häufig eine Neujustierung des Verhältnisses zwischen Kurie und Ortskirche betrachtet. Klagen über eine Bevormundung durch Vatikanbehörden sind nicht selten.
Welten zwischen Verfassungstext und -wirklichkeit
Freilich ist "Pastor Bonus" auch ein Beispiel dafür, dass zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit auch in der Kirche Welten liegen können: Wer den Text unbefangen liest, kommt nicht so ohne weiteres auf die Idee, dass Kardinäle zuletzt vor allem eine mangelnde Kollegialität in der Kirchenleitung beklagten. Denn in dem Dokument selbst wird Kollegialität unter den verschiedenen Kurienbehörden mehrfach ausdrücklich eingefordert, wenngleich die Kurie "in keiner Weise mit irgendeiner Art von Kollegium verglichen werden kann".
Auch folgender Satz dürfte etlichen Bischöfen eher als Wunsch denn als Zustandsbeschreibung erscheinen: Es sei "nicht nur undenkbar", dass die römische Kurie die persönlichen Beziehungen und Kontakte zwischen den Bischöfen und dem Papst in gewisser Weise wie eine Trennwand behindere oder beeinflusse.
Stärkung des vatikanischen Staatssekretariats
Ein wichtiges, zuletzt allerdings oft beanstandetes Ergebnis von "Pastor Bonus" war die weitere Stärkung des vatikanischen Staatssekretariats innerhalb des kurialen Machtgefüges. Durch die Einverleibung des bisherigen vatikanischen Außenministeriums, des "Rates für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche", erhielt diese zentrale Kurienbehörde noch größeren Einfluss. Für die Kongregationen, die Ministerien für die verschiedenen Aufgaben der Weltkirche änderte sich dagegen nicht viel. Die beiden thematisch ohnehin eng verbundenen Kongregationen für den Gottesdienst und für die Sakramente wurden zusammengelegt.
Auch die Kurienreform von 1988 war weder eine einsame päpstliche Entscheidung noch eine spontane Eingebung: Johannes Paul II. setzte nacheinander sogar drei Kommissionen zu ihrer Vorbereitung ein. "Pastor Bonus" schloss den Prozess der Vergrößerung und Umgestaltung der Kurie infolge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ab. Vor allem die heutigen päpstlichen Räte, die sich mit neuen Themen wie Ökumene, interreligiösem Dialog oder sozialer Gerechtigkeit befassen, sind ein Ergebnis des Konzils.
Keine Reform an Haupt und Gliedern
Die von manchen erhoffte Reform an Haupt und Gliedern brachte "Pastor Bonus" nicht. Im Vergleich zu den Kurienreformen von 1588 und 1908 handelte es sich eher um ein Reförmchen. Ob es unter Franziskus zu einer grundlegenden Umgestaltung der Vatikan-Verwaltung kommt und wie diese aussehen könnte, wird sich Anfang Oktober herausstellen. Dann präsentiert die Kardinalsgruppe ihre Änderungsvorschläge.
Von Thomas Jansen (KNA)