Auch die Kirche muss ihren Mitarbeitern gegenüber loyal sein
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Die Kirche als Arbeitgeberin ist von mehreren Seiten unter Druck: Stärker noch als weltliche Unternehmen spürt sie den Fachkräftemangel. Und die Gerichte nehmen ihr immer mehr Spielraum, eigene Regelungen abseits der allgemeinen Gesetze zu treffen. Beide Probleme haben mit dem kirchlichen Arbeitsrecht zu tun, das nichts mit schmutzigem Arbeitskampf zu tun haben will, stattdessen lieber eine heile Gemeinschaft im Dienste der Sache Jesu propagiert und Loyalität von den Mitarbeitern einfordert.
Das Problem haben auch die Verantwortlichen in der Kirche schon lange erkannt. "Für das Reich Gottes" sind die jüngsten Vorschläge für eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts überschrieben, die der ehemalige Münchner Generalvikar Peter Beer in der aktuellen Herder-Korrespondenz vorlegt. Zurecht stellt er zwei zentrale Fragen: "Warum und wozu wollen wir überhaupt ein spezifisches kirchliches Arbeitsrecht?" Und: "Wenn wir ein spezifisches kirchliches Arbeitsrecht wollen, wie soll es dann ausgestaltet sein, damit überhaupt etwas Spezifisches zum Ausdruck kommen kann?"
Beers zentrale Antwort: Kirchliches Arbeitsrecht gibt und braucht es, um den Sendungsauftrag zu erfüllen. Es sei "Ausdruck von Kirche-Sein". Auch wenn er die Antwort schuldig bleibt, warum Kirche-sein in anderen Ländern mit weitaus geringeren arbeitsrechtlichen Privilegien funktioniert: Die von ihm vorgelegten Vorschläge sind schlüssig. Eine differenzierte Betrachtung, die der Vielfalt der kirchlichen Mitarbeiter Rechnung trägt, die zur Kenntnis nimmt, dass die Kirche wie die Gesellschaft in sich plural ist, dass es im Kirchendienst eine Grundsolidarität mit den Zielen des Sendungsauftrags statt einer Totalidentifikation mit dem ganzen Lehr- und Moralgebäude braucht. Für die Kirchlichkeit einer Einrichtung spricht nicht die Einhaltung willkürlich ausgewählter Kirchengebote durch ihre Mitarbeiter – sondern ihr Beitrag zum Sendungsauftrag.
Wie loyal sind kirchliche Dienstgeber gegenüber ihren Mitarbeitern?
Ein Punkt kommt dabei aber etwas zu kurz: Die Frage nach der Loyalität des kirchlichen Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern. Beer spricht dieses Thema an und erwähnt, "dass die Glaubwürdigkeit der Dienstgemeinschaft nicht nur durch die kirchlichen Arbeitnehmer, sondern auch durch die Arbeitgeber gefährdet werden kann". Er illustriert diese Aussage aber mit dem Beispiel des Missbrauchs in den Reihen der Kirche statt mit der kleinen Münze des alltäglichen Umgangs mit Angestellten. Das befremdet. Missbrauch ist ein Verbrechen gegen die Opfer, es als Loyalitätsbruch gegenüber nicht betroffenen Mitarbeitern zu sehen, wird dem Verbrechen nicht gerecht. In diesem Fall lenkt das Beispiel von tatsächlichen Loyalitätsbrüchen gegenüber Dienstnehmern ab. "Kirchliches Arbeitsrecht zeigt, was Kirche ist, was mit Reich Gottes gemeint ist, wenn es zum Beispiel gerecht ist, Beteiligung ermöglicht, familienfreundlich ist", schreibt Beer selbst in seinem Fazit. An diesen Worten eines ehemaligen Dienstgebers sollten sich alle gegenwärtigen Dienstgeber messen lassen.
Nach wie vor stellt sich die Kirche aber auf den Standpunkt, dass obwohl der Katechismus ein Streikrecht kennt, es in der Kirche nicht gelten soll. Ist das gerecht? Seit Jahren beharren die kirchlichen Dienstgeber darauf, ohne Sachgrund Verträge befristen zu dürfen, nur wenige Dienstgeber verzichten darauf – ist das mit dem Ideal einer "Dienstgemeinschaft" zu vereinbaren? Auch im kirchlichen Bereich gibt es Strategien zur Tarifumgehung und Schwächung der Mitbestimmungsrechte durch Ausgliederungen in rechtlich selbständige, kleine Einheiten. Im Gespräch mit Mitarbeitervertretern erfährt man viel von Versuchen, rechtliche Ansprüche von Angestellten zu umgehen. Und, ganz banal: Während die Vertreter der Dienstnehmerseite gut im Arbeitsrecht und den Prinzipien des "Dritten Wegs" geschult sind, fehlen vergleichbare Fortbildungen für Führungskräfte und Dienstgeber gerade in der Fläche.
Die Kirche steht ständig vor der Gefahr, sich selbst schon als Ort zu sehen, wo alles gut geregelt ist, während man auf die Defizite in der Welt zeigt – im konfliktträchtigen Feld des Arbeitsrechts ist das erst recht so. Hier hat problematisches Verhalten eine besondere moralische Fallhöhe: Sonntags Wirtschaftsethik predigen, werktags Streik verbieten – das geht schlecht zusammen. Wer Dienstgemeinschaft will, muss für gerechte Bedingungen sorgen – und sie nicht nur behaupten.