Ein satirischer Wochenrückblick von Björn Odendahl

Es braucht eine Petition gegen katholische Petitionen!

Veröffentlicht am 28.02.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
War's das?

Bonn ‐ Jetzt hat es auch Kardinal Rainer Maria Woelki erwischt! Er wurde "Opfer" gleich zweier kirchlicher Online-Petitionen. So kann es nicht weitergehen, schreibt Björn Odendahl – und träumt von der guten, alten Zeit...

  • Teilen:

Was waren das noch für unbeschwerte Zeiten, als es für eine ordentliche Petition jede Menge Durchhaltevermögen, gefütterte Schuhe und einen anständigen Taschenwärmer brauchte. Stundenlang stand man bei Wind und Wetter vor dem Rathaus, vor der Kirche oder in einer belebten Einkaufsstraße, um sich von einem Großteil der Vorbeeilenden bestenfalls ignorieren, in der Regel allerdings eher mitleidig-aufmunternd belächeln zu lassen. Fast wie heutzutage bei der Fronleichnamsprozession.

Mit viel Kampfgeist gelang es dann schließlich, dass man den wenigen Passanten, die zu langsam oder zu gutgläubig waren, sein Anliegen verbal und dann in Form einer Unterschriftenliste unter die Nase rieb. Es war zermürbend, hatte aber neben halb erfrorenen Fingern auch einen nicht zu unterschätzenden, positiven Nebeneffekt: Nur die Härtesten hielten durch. Was folgte, war eine Art natürliche Selektion der Themen, für die es sich tatsächlich zu kämpfen lohnt; zum Beispiel für die Einhaltung der Menschenrechte oder gegen die Rodung des Regenwaldes. Denn frei leben und/oder atmen wollen wir ja alle irgendwie.

Dank des Internets ist diese romantische Zeit allerdings längst vorbei, und es petitiert sich vollkommen ungeniert aus den warmen, gemütlichen Wohnzimmern heraus. Auch die Kirche bleibt davon nicht verschont. Irgendwie ist es verständlich. Schließlich ist das Recht auf Mitsprache für die Laien im römischen Katholizismus, nun ja, eher ein passives. Man wird besprochen. Meist mit überschaubarem Erfolg, wenn man auf die vergangenen Synoden blickt. Mitsprache kennt der "einfache" Katholik nur sehnsüchtig schmachtend aus der Ferne – sozusagen als Demokratie-Schaufrömmigkeit.

Die Petitionen verwirren den normalen Katholiken

Doch hätte die kirchliche Obrigkeit früher gewusst, welche Blüten das Internet und die bei den Katholiken in den vergangenen Jahren erwachte Petitions-und-Offene-Brief-Wut irgendwann trägt, dann würde längst wieder das Volk bei der Bischofswahl befragt. Und wenn sich der Kandidat noch so lange im Gänsestall versteckt wie der heilige Martin! So aber geht der gemeine Katholik online auf Stimmenfang für seine Anliegen: für eine Absetzung – oder mindestens eine Korrektur – des Papstes, der heidnischen Göttinnen huldigt. Gegen den Synodalen Weg, für die Weihe der Frau. Für die Abschaffung des Zölibats. Gegen die Abschaffung des Zölibats.

Das jüngste "Opfer" der Petenten ist nun der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki geworden. Zuerst gab es eine Petition einiger Kölner Katholiken gegen dessen Reformunwilligkeit – und dann eine dafür. Welche dem Kardinal mehr geschadet hat, ist schwer zu beurteilen. Denn wenn sein "Unterstützer" schreibt "Die Kirche ist die Braut Christi und nicht das Flittchen des Zeitgeistes", dann dürfte das selbst in der Karnevalshochburg ein wenig zu "jeck" ankommen. Jedenfalls zeigt sich so: Der Kampf für Menschenrechte (s.o.) kann manchmal doch nach hinten losgehen, wenn damit auch der freie Zugang zum Internet für jedermann gemeint ist.

Die Gemengelage ist für einen einfachen Katholiken jedenfalls verwirrend. Und dass man selbst mit dem Katechismus als Richtschnur in der Hand kaum noch weiß, welche Petition man nun zu unterschreiben hat, zeigte das Beispiel von Gloria von Thurn und Taxis. Denn die fand den Vorwurf des "Götzendienstes" gegen Franziskus erst sehr schlüssig und dann doch irgendwie überhaupt nicht mehr, so dass sie ihre Unterschrift zurückzog. Da hatte sich wohl jemand verpetitiert.

Am Ende bleibt also nur eine einzige Option, um für die Katholiken Klarheit zu schaffen: noch eine Petition! Und zwar eine, die dazu aufruft, alle anderen katholischen Petitionen zu verbieten! Die gesammelten Unterschriften gehen dann direkt an den Papst. Und wenn der sich weigert, diesem verwirrenden Hang der Katholiken zum Petitionismus ein Ende zu setzen, kann man ja noch immer evangelisch werden. So viel anders ist es da gar nicht. Denn auch unsere Glaubensgeschwister können Petitionen – zum Beispiel für ein Tempolimit von 130 Kilometer pro Stunde auf der Autobahn. Ob man die unterschreibt, ist allerdings eine Glaubensfrage…

Von Björn Odendahl