Anselm Grün: Corona auch spirituelle Herausforderung
Laut Benediktinerpater Anselm Grün kann man auf die Verbreitung des Corona-Virus entweder mit autoritären Mitteln oder mit christlichen Grundhaltungen der Nächstenliebe reagieren. In einem Posting auf seiner Facebook-Seite vom Wochenende bezeichnet er die aktuelle Verbreitung des Virus in Deutschland als spirituelle Herausforderung und verglich das Vorgehen in China und Taiwan.
Grün weist auf die erfolgreichen Infektionsschutzmaßnahmen in Taiwan hin im Unterschied zu autoritären Methoden in China. Die taiwanesische Strategie sei von zwei Mottos getragen, die auch für christliche Werte stünden: "Ich schütze mich, um Dich zu schützen" und "Ich bin ok, daher kaufe Du erst einen Mundschutz". Das erste Motto betone, dass Selbstschutz nicht Egoismus bedeute, sondern auch Verantwortung für den andern und "letztlich aus Nächstenliebe geboten" sei, das zweite sorge für eine gerechte Verteilung knapper Güter. Im Unterschied zu China gelänge es Taiwan so, die Epidemie einzudämmen. Bisher gibt es laut Zahlen der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität in Taiwan 45 bestätigte Corona-Fälle, von denen 15 betroffene bereits wieder genesen sind.
„So geht es nicht um Panikmache, sondern um ein achtsames Umgehen, damit wir uns schützen, um andere zu schützen, dass wir uns Mühe geben, damit andere von Mühen befreit werden.“
Der Benediktiner legte seinen Lesern diese beiden Grundsätze in der Hoffnung ans Herz, dass sie "auch Euch im Umgang mit der Epidemie prägen". So gehe es "nicht um Panikmache, sondern um ein achtsames Umgehen, damit wir uns schützen, um andere zu schützen, dass wir uns Mühe geben, damit andere von Mühen befreit werden." Auf diese Weise könne die Epidemie "die ganze Gesellschaft erziehen" und ihr wieder christliche Werte nahebringen.
Abtei Münsterschwarzach bereitet sich auf Epidemie vor
Anfang März hatte Grüns Kloster, die Benediktinerabtei Münsterschwarzach, auf ihrer Internetseite über den Umgang des Klosters mit der Corona-Epidemie informiert. Da einige der Mönche sehr alt seien, rechne man mit Toten, "sollte das Virus bei uns ankommen". Der Internist und Tropenarzt Bruder Ansgar Stüfe wies darauf hin, dass die Benediktsregel auch Vorgaben zum Umgang mit Kranken treffe: Der heilige Benedikt "verlangt von den gesunden Mönchen, den Kranken alles zukommen zu lassen, was sie brauchen. An anderer Stelle aber ermahnt er die Mönche, sich den Tod täglich vor Augen zu halten." Die Menschen hätten heute vergessen, dass sie mit dem Risiko leben müssten. "Wir sollen nicht leichtsinnig sein, aber das Coronavirus rechtfertigt kein Stillstehen des gesellschaftlichen Lebens", so Stüfe. Panikmaßnahmen seien unangebracht.
Die Abtei Münsterschwarzach ist mit etwa 80 Mönchen eines der größten und bedeutendsten Benediktinerkloster Deutschlands und gehört zur Benediktinerkongregation von St. Ottilien. Seine Gründung geht auf das achte Jahrhundert zurück. Anselm Grün ist dort seit 1964 Mönch. Der 75-jährige gehört zu den bekanntesten spirituellen Autoren in deutscher Sprache und hat über 300 Bücher zu geistlichen Themen geschrieben. Der Theologe und Betriebswirt war bis 2013 als Cellerar Leiter der Verwaltung seines Klosters. (fxn)