Karitative Arbeit durch Coronavirus unter Druck
Die Ungewissheit ist einer der großen Faktoren, die die katholischen sozialen Dienste gerade beschäftigen: "Wir wissen nicht, was morgen ist. Wir arbeiten mit Hochdruck ständig an neuen Lösungen", ist etwa aus einer Pressestelle der Caritas zu hören. Für karitative Dienste ist die Lage besonders vertrackt: Einerseits sind Schulen und Kindergärten zu und das soziale Leben heruntergefahren, Menschen sollen so viel wie möglich zu Hause bleiben. Andererseits kümmern sich viele karitative Einrichtungen gerade um jene, die immer allein sind – und deshalb Hilfe benötigen.
Besonders schwierig ist bei Angeboten etwa die Fürsorge für Obdachlose, weil dort die staatlich verordneten Vorgaben und jede, die sich die Organisationen selbst gegeben haben, besonders schwer umzusetzen sind. "Wir versuchen, diese Angebote so lange wie möglich aufrecht zu erhalten", sagt der Pressesprecher der Frankfurter Caritas, Timm Kauhausen. "Momentan geht das noch. Das kann sich aber schnell ändern."
Doch auch für eine Beratungsstelle mit persönlichem Kontakt ist die Corona-Epidemie eine große Herausforderung. Zwar arbeiten zahlreiche Beratungsstellen gerade telefonisch und online – aber das geht nicht überall. Denn die Caritas hilft auch beispielsweise alten Menschen, die Probleme beim Ausfüllen von Behördenformularen haben – hier kann der Umweg über die Technik eine weitere Hürde sein. Mittlerweile kommen schließlich auch einige Menschen, weil sie Probleme mit den Online-Formularen haben, die die Ämter wegen des Coronavirus benutzen.
Barrierefreiheit mit Kreativität
"Wir wollen bewusst barrierefrei sein", sagt Kauhausen. In Frankfurt wurden deshalb neue Beratungsräume geschaffen und so hergerichtet, dass sie auch bei den erhöhten Hygieneanforderungen für Einzelgespräche benutzt werden können. Gerade wird auch an alternativen Beratungsformen gearbeitet. Veränderungen umzusetzen dauert dann aber nicht so lange, weiß Timm Kauhausen. Die Umgestaltung des Beratungsraumes habe innerhalb eines Tages geklappt, die weitreichende Umstellung auf den Hotlinebetrieb soll noch diese Woche geschafft sein.
Schwierig ist es auch bei Einrichtungen, die nicht per Telefon funktionieren oder geschlossen werden können – wie etwa Frauenhäuser. "Da muss der Betrieb weiterlaufen wie in einem Krankenhaus", sagt die Pressesprecherin des Sozialdienstes Katholischer Frauen, Nadine Mersch. Doch sie beobachtet, dass die Aktiven vor Ort schnell Ideen umsetzen: So werden etwa überall Spender mit Desinfektionsmittel aufgehängt oder größere Tische angeschafft, damit der Abstand beim Essen groß genug ist. Manchmal werden auch Zimmer umgeräumt, um die nötigen Verhältnisse zu schaffen.
Doch nicht nur die Klienten, auch die Mitarbeiter können krank werden. Hier müssen die Träger flexibel agieren, etwa indem sie Mitarbeiter aus gerade geschlossenen Einrichtungen für Kinder Personallücken anderswo schließen lassen. Ob und wie sich die Epidemie allerdings großflächig auf die Personaldecke auswirkt, mag keiner der Verbände prognostizieren.
"Unsere Systeme sind nicht so schlecht"
Momentan blickt dennoch so mancher Verband vorsichtig zuversichtlich auf die Situation. "Unsere Systeme sind nicht so schlecht", findet etwa Nadine Mersch. "Die sind an Krisen gewöhnt und daran, zügig und kreativ damit umzugehen." Etwa im Hinblick auf die Arbeit mit Beratungshotlines und Onlinenageboten kann sie sich sogar vorstellen, dass durch die derzeitige Coronasituation auch Mitarbeiter einen Motivationsschub bekommen, die diesen Systemen bisher eher abwartend gegenüberstehen. Allerdings merkt sie an: "Dafür brauchen wir die passende Technik und Qualifizierungen für die Mitarbeiter. Das macht man nicht nebenbei – auch finanziell."
Damit spricht sie einen Knackpunkt an: das Geld. Denn soziale Einrichtungen sind gemeinnützig organisiert. Das heißt, dass sie kein Vermögen anhäufen dürfen – damit aber auch keine Rücklagen haben. "Die Einrichtungen leben von der Hand in den Mund", fasst es Markus Harmann zusammen. Der Pressesprecher des Diözesan-Caritasverbands im Erzbistum Köln befürchtet finanzielle Einschnitte für viele Träger. Denn obwohl etwa ein Kindergarten geschlossen ist, müssen Erzieher da sein, um für die Kinder etwa von Polizistinnen oder Krankenpflegern eine Notbetreuung anzubieten. Zudem laufen auch bei geschlossenen Einrichtungen Fixkosten wie etwa die Miete und Personalkosten weiter – und die Finanzierung ist oft noch nicht geklärt.
Linktipp: Unser Newsticker
Die ganze Welt ist von der Corona-Pandemie betroffen. Auch das kirchliche Leben ist eingeschränkt: Gottesdienste und andere Veranstaltungen fallen aus, Christen helfen, Christen erkranken. Im katholisch.de-Newsticker gibt es täglich ein aktuelles Bild der Lage in Deutschland und der Weltkirche.Ähnliche Sorgen hat auch die Katholische Erwachsenenbildung Deutschlands. Denn Fördermittel und Projektgelder bemessen sich oft an geleisteten Unterrichtsstunden. Die fallen aber gerade reihenweise aus. Dadurch könnten Gelder wegbleiben – und damit manche Einrichtungen in die Insolvenz führen.
Sorge vor der finanziellen Zukunft
Harmann befürchtet Ähnliches auch für den karitativen Bereich. "Wir müssen unsere Dienste in dieser Krise und danach aufrechterhalten. Aber ist das dann noch möglich?" Manchen Einrichtungen drohe durch ausbleibende Gelder die Insolvenz. Mehrere Sozialverbände haben deshalb einen Offenen Brief an die nordrhein-westfälische Landesregierung geschrieben, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Er hofft, dass das Thema bei einem Gipfel in der Düsseldorfer Staatskanzlei am Donnerstag auf den Tisch kommt.
Finanziell wie organisatorisch ist die katholische karitative Arbeit also weiter von großer Unsicherheit geprägt. Was weitergeht, welche Dienste wann und für wie lange schließen müssen – niemand weiß es. Wie die Nachrichtenticker zu den Folgen der Corona-Pandemie müssen auch die Sozialträger jeden Tag mit einer neuen Lage arbeiten.