Standpunkt

Ostern wird vom Karsamstag gezeichnet sein

Veröffentlicht am 02.04.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Ostern nicht zu verlegen, war eine gute Entscheidung, kommentiert Julia Knop. Dennoch werde zum Fest der Auferstehung Jesu dieses Jahr wenig so sein wie sonst. Statt "Erschalle laut, Triumphgesang" müsse es leisere Töne geben.

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Sollen wir Ostern verschieben? Die Frage wurde kurz gestellt und rasch verneint. Das ist auch gut so in einer Zeit, in der durch die nötigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens stabilisierende Faktoren weggebrochen sind und man kaum noch weiß, welcher Wochentag gerade ist. Aber die Frage bleibt: Wie werden wir in diesem Jahr Ostern feiern?

Die Gottesdienstkongregation hat per Dekret das triduum sacrum in Zeiten von Covid-19 geregelt. Priesterliche Zelebration der Kar- und Osterliturgien wird in einer um die reale Präsenz und aktive Beteiligung der Gemeinde reduzierten Form sichergestellt. Die Gläubigen können sich den Liturgien geistlich und über Livestream anschließen. Viele werden das tun.

Doch nicht nur durch die mediale Vermittlung der Gottesdienste wird 2020 manches anders sein. Ob in der Kirche oder zuhause: Die Pandemie verändert die Wahrnehmung jahrelang vertrauter Riten. Kann man, soll man in diesen Tagen genauso Ostern feiern sie sonst? Wo hilft Gewohntes, wo übergeht es die Nöte der Gegenwart? Die alten Texte der Passion wecken aktuelle Bilder: eine letzte Mahlzeit in großer Runde, die Fußwaschung, Veronikas Tuch in Jesu Gesicht, ein unbekannter Helfer, weinende Frauen, der von Krankheit gezeichnete Gottesknecht, Jesu Verlassenheitsschrei am Kreuz, sein Erstickungstod, die hastige Beisetzung, der lange überfordernde Schabbat der Angehörigen in häuslicher Isolation.

Liturgie und Leben interpretieren einander. Schriftlesung, Klage und Bitte angesichts der Passion Jesu und der Passionen heute greifen ineinander. Wir haben inzwischen alle eine Ahnung davon bekommen, was Angst, soziale Distanz, abgebrochene Zukunftsperspektiven und Verluste ohne Abschied bedeuten. Wie entsetzlich der Karfreitag und wie unglaublich das Wunder des Ostermorgens ist – die Kluft, die jede Eucharistiefeier zum Thema macht –, ist viel deutlicher als sonst. Statt "Erschalle laut, Triumphgesang" werden leisere, behutsamere Töne angeschlagen werden. Forsche Gewissheit über ein allgemeines Happy End scheint fehl am Platz. Eher passt die Beklommenheit der Frauen auf dem Weg zum Grab, die nicht ahnen, dass es leer ist. Was in jeder Eucharistie gefeiert wird – die Hineinnahme der Gläubigen in das österliche Geheimnis –, geschieht 2020 in Krankenhäusern und Wohnungen. Eucharistie findet statt – im Leben der Gläubigen. Ostern wird nicht verschoben – doch es ist vom Karsamstag gezeichnet.  

Von Julia Knop

Die Autorin

Julia Knop ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.