Maler des Papstes, Bauherr vom Petersdom: Vor 500 Jahren starb Raffael
Wie kaum ein anderer wird der italienische Renaissancekünstler Raffael (1483-1520) seit Jahrhunderten als Malergenie verehrt. Einen "sterblichen Gott" nannte ihn der Künstlerbiograf Giorgio Vasari 30 Jahre nach dessen Tod. Seinen Auftraggeber Papst Julius II. malte Raffael laut Vasari "so treu und lebendig, dass man es fast mit Zagen betrachtete, als ob es wirklich der Lebende wäre".
Zum 500. Todestag des Renaissancekünstlers am 6. April 1520 hatten die Scuderie del Quirinale in Rom die bislang weltweit größte Raffael-Ausstellung zusammengestellt. Mehr als 60.000 Eintrittskarten waren vorab verkauft worden. Doch drei Tage nach der Eröffnung Anfang März musste sie wegen der Corona-Pandemie wieder schließen.
Raffael war ein Künstler mit "unablässiger Experimentierfreude", würdigt ihn der Direktor der Uffizien in Florenz, der deutsche Kunsthistoriker Eike Schmidt. Der Baumeister des Petersdoms, oberste Denkmalschützer Roms und Betreiber einer großen Künstlerwerkstatt sei bei allen Unterschieden ein "Universalkünstler wie Leonardo".
"Vermählung Mariens" und "Sixtinische Madonna"
Bereits im Alter von 21 Jahren hatte Raffael in seinem Werk "Vermählung Mariens" nicht nur den üblichen Bildaufbau aufgelöst, sondern auch ironische Elemente eingefügt: Einer der erfolglosen Bewerber um Maria bricht in seiner Darstellung der ehrwürdigen Szene enttäuscht einen Stab über das Knie, ein anderer zerbricht seinen Stab vor der Brust.
Der Inbegriff von Raffaels Ironie sind die beiden zwischen Nachdenklichkeit und Ratlosigkeit in der Schwebe gehaltenen Engel, die in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden zur "Sixtinischen Madonna" über ihnen aufschauen. Auf Keksdosen, Servietten und tausenderlei Nippes sind sie mittlerweile zu Pop-Ikonen geworden.
"Sich Raffael zu nähern, ist ganz einfach", meint deshalb Marzia Faietti, die Kuratorin der Jubiläumsausstellung in Rom. Seine Kunst enthalte "so viele Schichten, dass jeder Betrachter, vom einfachsten bis hin zum hoch gebildeten, sie bewundern kann."
Eines der Werke hatte während der Vorbereitungszeit der Ausstellung zu einem regelrechten Skandal geführt: Es handelt sich um eine Leihgabe der Uffizien in Florenz, ein Bild des Papstes Leo X. zwischen zwei Kardinälen. Das Kirchenoberhaupt hatte Raffael wie sein Vorgänger Julius II. wichtige Aufträge im Vatikan erteilt.
Das wissenschaftliche Komitee der Uffizien aber hatte sich strikt gegen die Leihgabe ausgesprochen und trat aus Protest geschlossen zurück. Das Gemälde dürfe wie 23 andere wegen seines Zustands das Museum nicht verlassen, begründete das Gremium seine Entscheidung. Eike Schmidt, Direktor des Florentiner Museums, rechtfertigte seinen Entschluss dagegen mit der vor kurzem abgeschlossenen Restaurierung des Gemäldes.
Als Sohn eines Malers kam Raffael Sanzio 1483 in Urbino in der mittelitalienischen Region Marken zur Welt. In Perugia ließ er sich zunächst als Schüler von Pietro Perugino von dessen heute leicht süßlich wirkenden Madonnenfiguren inspirieren. In Florenz entwickelte er später seinen Malstil unter dem Einfluss von Michelangelo und Leonardo da Vinci weiter, bevor er 1508 an den Hof von Papst Julius II. nach Rom berufen wurde. Im Jahr 1514 übernahm Raffael auch die Bauleitung des Petersdoms.
Der Einfluss von Michelangelo
Der Architekt des Petersdoms, Donato Bramante, hatte Raffael nach dessen Ankunft in Rom die Gelegenheit gegeben, die Sixtinische Kapelle noch vor der Einweihung der Fresken von Michelangelo anzusehen. Unter dem Eindruck von Michelangelos breitschultrigen Sibyllen - antiken Prophetinnen - in der Sixtinischen Kapelle verlieh Raffael daraufhin in Rom auch seinen eigenen Prophetinnen-Darstellungen in der Kirche Santa Maria della Pace muskulöse Körper.
Lange Zeit war die Kirche geschlossen. Doch Raffael-Fans fanden währenddessen einen anderen Weg: Regelmäßig sah man Besucher, die sich im ersten Stock des Kreuzgangs vor ein Innenfenster knieten, um einen Blick auf Raffaels Sibyllen-Fresken im Innenraum der Kirche zu erhaschen.
Als der Künstler im Alter von nur 37 Jahren starb, trauerte ganz Rom um ihn. Künstlerbiograf Vasari trug danach eifrig zur Legendenbildung bei: Raffael habe sich "unaufhörlich den Freuden der sinnlichen Liebe" hingegeben und sei an einem Übermaß solchen Genusses gestorben. Seine Werke faszinieren heute wie damals. Denn Raffaels Gestalten, schrieb Vasari, seien "täuschender als die Wirklichkeit".