Standpunkt

Keine Ausnahmen beim Gottesdienstverbot

Veröffentlicht am 07.04.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Traditionalisten in Berlin haben gegen das Gottesdienstverbot geklagt. Verständlich, aber nicht der richtige Weg, findet Christoph Paul Hartmann. Er plädiert für eine Güterabwägung und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.

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Die Traditionalisten um die Kirche St. Afra in Berlin klagen gegen das Gottesdienstverbot. Es sei unverhältnismäßig, wenn Supermärkte zwar geöffnet, Gottesdiente aber untersagt seien. Dahinter steht nicht zuletzt der Gedanke, dass ja beides eine Art "Grundversorgung" darstelle – körperlicher und geistiger Art.

Das Argument an sich ist erst einmal plausibel. Schließlich bedeutet der Verzicht auf die Gottesdienstgemeinschaft und den sakramentalen Empfang der Eucharistie für manche Gläubige eine Beschneidung ihres in der Verfassung garantierten Rechts auf Glaubensleben, den weder Livestreams noch Hausgottesdienste in ausreichendem Maße lindern können – vor allem an Ostern, dem höchsten Fest der Christenheit.

Allerdings ergeben sich zwei Probleme: In unserer pluralistischen Gesellschaft verzichten bereits zahlreiche gesellschaftliche Gruppen auf Zusammenkünfte, man denke nur an Sportvereine oder das Brauchtum. Zwar nimmt die Religion eine Sonderstellung ein (GG Art. 4 Abs. 2), jedoch liegt es deswegen gerade an ihr, mit gutem Beispiel voranzugehen, damit die Versammlungsbeschränkungen wirken können. Gerade wegen ihrer Sonderrechte hat sie einen Auftrag und eine Vorbildfunktion für die gesamte Gesellschaft.

Ein anderes, viel wichtigeres Argument stellt jedoch eine Abwägung von Werten dar. Klar: Wer eine Heilige Messe besucht und den Leib Christi empfängt, verleiht dadurch seinem Christsein Ausdruck und stärkt seine Beziehung zu Gott. Aber zu dem Preis, dass man alle Menschen um sich herum einem deutlich gesteigerten Risiko der Ansteckung aussetzt – und sehr viele Messbesucher in Deutschland zählen zur Hochrisikogruppe. Es steht also die Feier der Gegenwart Gottes gegen die damit verbundene Anti-Solidarität. Auf dieses Dilemma findet die Bibel eine klare Antwort: "Wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit." (1 Joh 3,18) Dem Christen sollte die Liebe zum Nächsten also an erster Stelle stehen, denn durch sie drückt er seine Liebe zu Gott aus.

Jetzt ist also nicht die Zeit für Ausnahmen! Bei den zahlreichen, nicht nur digitalen Angeboten der Kirche für eine coronagemäße Form des Glaubenslebens ist das Verbot öffentlicher Gottesdienste im Hinblick auf eine Güterabwägung mehr als vertretbar. Je mehr Menschen jetzt zu Hause bleiben, desto eher kann die Eucharistie wieder ihren angemessenen Platz als "Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens" (LG 11) einnehmen.

Von Christoph Paul Hartmann

Der Autor

Christoph Paul Hartmann ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.