Theologin Pemsel-Maier über Ostern

Warum es nicht verrückt ist, an die Auferstehung zu glauben

Veröffentlicht am 12.04.2020 um 12:50 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Ohne den Glauben an die Auferstehung ist der christliche Glaube aus theologischer Sicht nicht zu haben, sagt Sabine Pemsel-Maier. Dennoch kennt sie viele Menschen mit Zweifeln – und auch sie selbst ist nicht frei davon. In solchen Zeiten ist es vor allem ein Gedanke, der der Theologin besonders hilft.

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Frage: Was sagt Ihnen persönlich die Auferstehung, Frau Pemsel-Maier?

Pemsel-Maier: Für mich ist die Auferstehung Jesu die Grundlage meines Glaubens. Wenn Jesus Christus nicht auferstanden wäre, wäre er ein Wanderprediger unter anderen geblieben. Ich denke, dann wäre er irgendwann in Vergessenheit geraten. Durch die Auferstehung wurde er selbst zum Gegenstand des Glaubens. Ich kann nun auf meine eigene Auferstehung hoffen.

Frage: Wie könnte denn die Auferstehung Jesu historisch abgelaufen sein? 

Pemsel-Maier: [lacht] Das würde mich auch sehr interessieren. Aber leider war niemand dabei. Vor allem aber: Die Auferstehung ist mehr als ein geschichtliches Ereignis: Etwas, das die Dimension von Raum und Zeit sprengt. Manche sehen darin eine Schwierigkeit: Das, was im Zentrum christlichen Glaubens steht, ist nicht mit historischen Mitteln rekonstruierbar. Gleichzeitig ist das ja grundsätzlich so mit Religion. Auch Gott ist nicht belegbar.

Sabine Pemsel-Maier ist Professorin an der Pädagogischen Hochschule Freiburg
Bild: ©privat

Sabine Pemsel-Maier ist Professorin an der Pädagogischen Hochschule Freiburg

Frage: Wie kamen die Jünger überhaupt auf die Idee, dass Jesus auferstanden ist? 

Pemsel-Maier: Wir können sehen – und das ist historisch belegt – wie sehr der Glaube an die Auferstehung die Jüngerinnen und Jünger verändert hat. Dabei spielten die Begegnungen mit dem Auferstandenen, etwa bei den Emmaus-Jüngern, eine große Rolle. Es setzte sich das Gefühl durch: Dieser Jesus ist nicht im Tod geblieben, er lebt. Aus Traurigkeit, Resignation, ja Depression wurde Freude. Den Jüngern eröffnete sich eine neue Wirklichkeit. Ein gutes Beispiel ist auch Petrus: Im Angesicht des Kreuzes verleugnet er Jesus, kurze Zeit später dann geht er in die Öffentlichkeit und verkündet ihn als den Auferstandenen. Dabei war das noch genauso gefährlich wie zuvor! Da muss also etwas passiert sein, was die Jüngerinnen und Jünger total angefasst hat. In der Theologie spricht man auch vom "Jüngerwandel".

Frage: Wie die biblische Erzählung von der Auferstehung zu verstehen?

Pemsel-Maier: Die Evangelien, die von Jesu Auferstehung erzählen, sind keine historischen Berichte, sondern Glaubenszeugnisse: Im Licht des Glaubens an die Auferstehung wird von der Auferstehung erzählt. Dahinter kommen wir nicht zurück. Die Auferstehung ist kein Beweis für den Glauben an Jesus Christus, sondern Teil davon und selbst Gegenstand des Glaubens. Es gibt aber gute Gründe, warum es nicht völlig verrückt und irrsinnig ist, an die Auferstehung zu glauben: Erstens die sichtbare, starke Veränderung der Jünger und zweitens ihr durchgehendes Bezeugen der Erscheinungen Jesu. Aber auch, dass das Grab Jesu leer war, wird durchgehend überliefert. Aber all das sind natürlich keine Beweise, ganz klar.   

Frage: Streitet sich die Theologie mit anderen Disziplinen, wenn es um die Auferstehung geht?

Pemsel-Maier: Da streiten sich zwei Weltbilder. Auf der einen Seite die religiöse Weltdeutung, die Gott etwas zutraut. Auf der anderen Seite die rein naturalistische Weltdeutung, nur zu glauben, was man sehen, hören, messen und beweisen kann. Wenn ich ein überzeugter Naturalist bin, dann sage ich, Tod ist Tod – und damit erübrigt sich jede weitere Diskussion. Die Auferweckung Jesu kann auf der naturwissenschaftlichen Ebene eben nicht verhandelt werden.

Linktipp: Die biblische Geschichte von der Auferstehung Jesu

Alle Evangelien berichten über das leere Grab und die Auferstehung. Aber in Details unterscheiden sie sich. Lesen und vergleichen Sie hier die Auferstehungsgeschichten der vier Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.

Frage: Die Auferstehung ist 2.000 Jahre her. Was gibt es auf theologischer Ebene heute noch Neues daran zu entdecken?

Pemsel-Maier: Die Theologie muss den Auferstehungsglauben immer wieder neu und in anderen Kontexten zur Sprache bringen. Und sie muss sich damit auseinandersetzen, dass ein religiöses Wirklichkeitsverständnis und damit auch der Glaube an die Auferstehung nicht mehr selbstverständlich sind. Ich forsche zum Beispiel im Kontext der Schule. Da haben wir es kaum noch mit gläubigen Jugendlichen zu tun.  

Frage: Fällt es Kindern prinzipiell nicht viel leichter, die Auferstehung zu verstehen als uns "verkopften" Erwachsenen?

Pemsel-Maier: Für viele Kinder ist die Vorstellung der Auferstehung Jesu und eines Lebens nach dem Tod tatsächlich kein Problem. Die Krise des Auferstehungsglaubens kommt vor allem im Jugendalter. Dann wird in der Schule das naturwissenschaftliche Paradigma der Welterklärung immer dominierender. Aber Jugendliche haben auch eine unglaubliche Sehnsucht nach der Überwindung des Todes. Sie hoffen: Vielleicht gibt es da etwas. Da zeigt sich ein suchender, tastender Glaube.

Frage: Ist es problematisch, wenn Christen Schwierigkeiten damit haben, wortwörtlich an die Auferstehung zu glauben?

Pemsel-Maier: Es gibt diesen berühmten Satz: 'Entweder, man nimmt die Bibel wörtlich oder man nimmt sie ernst'. Wer den Sinn der Osterbotschaft für die eigene Existenz entdeckt, der kann sich vom Wortwörtlichen lösen. Die Frage, ob nun zwei Engel am Grab saßen oder nur einer – je nachdem, in welches Evangelium wir schauen – spielt dann keine Rolle mehr. Entscheidend ist der Aussagegehalt: Gott hat Jesus zu neuem Leben erweckt. Das ist so unfassbar - ich weiß, dass auch viele Christen Zweifel daran haben. Manche sagen, sie würden so gerne daran glauben, aber sie könnten es nicht. Und denken Sie bitte nicht, dass nicht auch Theologinnen und Theologen solche Fragen hätten.

Frage: Aber es geht hier doch um einen zentralen Bestandteil des Glaubens und nicht nur irgendeinen Randaspekt. Entweder ich glaube an die Auferstehung, oder nicht…

Pemsel-Maier: Klar könnte und muss man theologisch sagen, ohne den Glauben an die Auferweckung  ist das Christsein nicht zu haben. Ein individueller Glaube kann Zweifel aber vielleicht ganz gut integrieren. Die individuelle Glaubensvielfalt ist groß und das darf sie auch sein.

Frage: Was sagen Sie Menschen, die gerne an die Auferstehung glauben würden, aber es einfach nicht können? Oder sind die allein in ihrem Hadern….

Pemsel-Maier: Ein Rezept, eine Formel, wie man zum Glauben kommen kann, gibt es nicht. Warum manchen Menschen der Glaube leichter fällt und warum er für andere versperrt bleibt, weiß ich nicht. Ich kann nur persönlich sagen, dass ich Zweifel sehr gut nachvollziehen kann. Ich bin da ja auch nicht frei davon. Vielleicht ist es ein Weg, das eigene Suchen und Zweifeln zu akzeptieren. Das ist etwas sehr Menschliches. Glauben oder Nichtglauben, das ist eine dogmatische Gegenüberstellung. Aber das Leben ist nicht nur ja oder nein, schwarz oder weiß, sondern es gibt viel mehr dazwischen.

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Was bedeutet Auferstehung? Ein Beitrag der Serie "Katholisch für Anfänger".

Frage: Was hilft Ihnen, wenn Sie zweifeln?

Pemsel-Maier: Das ist ein ganz bestimmter Gedanke: Ich begreife die Auferweckung Jesu als ein Ereignis an der Grenze, an dem sich die Wirklichkeit Gottes und die Wirklichkeit der Welt berühren. Diese Grenze zwischen Himmel und Erde wird mit der Geburt Jesu an Weihnachten von oben nach unten überschritten. Gottes Sohn kommt in die Welt. Und jetzt, mit der Auferweckung an Ostern, wird die Grenze umgekehrt überschritten. Von unten nach oben, in die Dimension Gottes. Die Auferstehung ist an der Grenze zwischen zwei Wirklichkeiten angesiedelt – und sie zeigt uns so unsere Grenzen auf.  

Frage: Kann man die Auferstehung auch als Drohszenario verstehen, dass ich nach dem Tod möglicherweise für schlechte Taten bestraft werden kann?

Pemsel-Maier: Der Inbegriff der christlichen Hoffnung ist ja nicht, dass wir auferstehen, um dann endlose Strafen zu erleiden. Sondern dass Menschen in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen werden. Und nichts anderes heißt "Himmel". Das ist für viele Menschen ein Trost. Keine billige Vertröstung, sondern ein wirklicher Trost.

Frage: Wie beeinflusst die Corona-Pandemie dieses Jahr das Erleben des Ostergeschehens?

Pemsel-Maier: Ich finde gerade in dieser Situation die Botschaft wichtig, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern es etwas darüber hinaus gibt. Deswegen hätte ich auch überhaupt nichts davon gehalten, wenn die Osterfeierlichkeiten verschoben worden wären. Im Gegenteil: Gerade jetzt sollten wir Ostern feiern. Die Auferstehung fragt nicht, wann es uns besonders gut passt. Auferstehung heißt ja auch, die Wirklichkeit mit anderen Augen sehen. Das erleben wir im Moment ja auch. So viele Selbstverständlichkeiten, Kontakte, Beziehungen brechen weg – Corona zwingt uns zu einer neuen Perspektive auf das Leben.

Von Gabriele Höfling

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