Standpunkt

Ostern fällt nicht aus, sondern findet jetzt erst recht statt

Veröffentlicht am 23.03.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Drama von Gründonnerstag bis Ostermontag spielt sich in diesen Tagen ganz anschaulich in der Welt ab, kommentiert Dominik Blum. Ostern könne nicht verschoben werden, denn Ostern habe schon längst angefangen.

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Ostern wird also nicht verlegt. Und es fällt auch nicht aus, obwohl die Gottesdienste "ohne physische Teilnahme des Volkes" gefeiert werden. Nein, die Passion und Ostern finden statt. Denn in der Welt spielt sich das Drama von Gründonnerstag bis zum Ostermorgen ab, jeden Tag. Und in diesen Tagen besonders anschaulich.

Da sind die vielen, die mit Hingabe anderen die Füße waschen wie an jedem anderen Montag oder Gründonnerstag. Die Beatmungsgeräte steuern, die weiter Brot backen, Kommunikation und damit Communio ermöglichen, Regale füllen mit Wein – und ja, auch mit Klopapier. Die Ärztinnen und Altenpfleger, die Kassiererinnen und Journalisten.

Da sind die Vielen mit ihren Karfreitagserfahrungen. Isoliert im Krankenzimmer mit und ohne Corona-Infektion, vor dem Stacheldrahtzaun an der türkisch-griechischen Grenze mit dem Blick nach Europa. Und in Syrien und im Libanon auf der Suche nach Frieden. Skandal und Torheit der vielen Kreuze, jeden Tag.

Der Karsamstag, so hat es Karl Rahner einmal geschrieben, "ist ein Zeichen für jene Durchschnittlichkeit des Lebens, das sich in der Mitte hält zwischen dem abgründigen Entsetzen des Karfreitags und dem Jubel von Ostern". Leben nicht viele derzeit so zwischen Panik und Hoffnung in häuslicher Quarantäne, in erzwungener Verlangsamung durch Ausgangsbeschränkungen und in der bedrückenden Stille des social distancing?

Und Ostern? Was ist denn von Ostern zu sehen in diesen Tagen der Krise? Der Zukunftsforscher Matthias Horx hat in einem bemerkenswerten Beitrag vorgeschlagenen, statt einer PRO-Gnose zum Ende der Corona-Krise eine RE-Gnose zu versuchen: also nicht von der Gegenwart aus in die Zukunft zu schauen, sondern von der Zukunft aus zurück ins Heute. So beschreibt er, über welche Veränderungen die Welt sich im Rückblick auf die Krisenzeit im Jahr 2020 wundern wird. Diese Art, von der Zukunft aus auf die Gegenwart zu blicken, sollte den Christen an Ostern leichtfallen. Von Ostern her auf unser Heute gesehen kann alles nur gut werden, meint Karl Rahner: "Weil sein Grab leer ist, darum wissen wir: Es hat alles schon wirklich begonnen, gut zu werden." Was für eine merkwürdige Vorstellung, Ostern könnte verschoben werden. Ostern fängt an, es hat längst angefangen, Ostern hört nie auf anzufangen. Von Ostern her ist alles Ende erst der Anfang. Oder, mit Matthias Horx gesagt: "Wir staunen rückwärts."

Von Dominik Blum

Der Autor

Dominik Blum ist Dozent für Theologie an der Katholischen Akademie in Stapelfeld.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.