Kirchen sollten solidarisch mit Gesellschaft sein

Ex-EKD-Chef: "Wehleidiger Ton" wegen Gottesdienstverbot unangebracht

Veröffentlicht am 17.04.2020 um 11:50 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ In Deutschland sollen öffentliche Gottesdienste bis auf Weiteres ausgesetzt bleiben. Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber verteidigt diese Entscheidung und betont: Vorsicht sei kein Zeichen von Kleinglauben.

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Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, hält den "wehleidigen Ton" der Kirchen angesichts des fortdauernden Verbots öffentlicher Gottesdienste für unangebracht. "Es ist mir lieber, wir sind vorsichtig und brauchen uns nicht vorzuhalten, dass eine Infektionsserie von Gottesdiensten ausgeht", sagte der evangelische Theologe am Donnerstag dem Deutschlandfunk. Vorsicht sei kein Zeichen von Kleinglauben, sondern von verantwortlichem Umgang mit den Mitmenschen.

Es sei gut, wenn die Kirchen bei der Eindämmung der Corona-Pandemie solidarisch mit der Gesellschaft mitgingen, so Huber weiter. Gleichzeitig teile er die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass die Religionsfreiheit ein besonders geschütztes und hohes Gut sei. "Es darf nicht länger so bleiben, als es notwendig ist", betonte der Ex-EKD-Chef. Darauf dürften die Kirchen auch drängen.

Streamen von Gottesdiensten als gute Übergangsform

Gleichzeitig gelte es für die Kirche, die aktuelle Situation zu gestalten und dabei auch neue gottesdienstliche Erfahrungen zu machen. Im Hinblick auf die Kar- und Ostergottesdienste, die vielfach im Fernsehen übertragen oder im Internet gestreamt worden sind, sagte Huber: "Ich lasse mir nicht durch Kritik das kleinreden, was ich selbst an Karfreitag und Ostern erlebt und mitgestaltet habe." Die Beteiligung an den Gottesdiensten sei höher gewesen als in den vergangenen Jahren. Gottesdienste im Internet zu übertragen, sei eine gute Übergangsform, bis öffentliche Gottesdienste wieder zugelassen seien. Wenn dies so weit sei, sollten die Gläubigen allerdings keinen Abstand voneinander halten müssen. "Das ist nicht meine Vorstellung von einem gemeinsam gefeierten Gottesdienst", so Huber.

Am Mittwoch hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einer Videokonferenz zwischen Bundesregierung und Ministerpräsidenten der Länder erklärt, dass es angesichts der Corona-Pandemie weiterhin keine öffentlichen Gottesdienste und religiöse Veranstaltungen in Deutschland geben soll. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, reagierte enttäuscht auf diese Entscheidung. "Angesichts von ersten Lockerungsmaßnahmen in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens kann ich das nicht nachvollziehen, erst recht nicht nach der sehr deutlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der vergangenen Woche zu den schwerwiegenden Eingriffen in die Religionsfreiheit", so der Limburger Bischof in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme.

An diesem Freitag treffen sich Vertreter des Bundesinnenministerium mit Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche, des Zentralrats der Juden, der orthodoxen Kirche sowie des Koordinierungsrats der Muslime zum Austausch über die aktuelle Lage in der Corona-Krise. Zuletzt hatten einige Bundesländer ihre Bereitschaft signalisiert, öffentliche Gottesdienste unter bestimmten Bedingungen wieder zuzulassen. (mal)