"Kinderpost": Glaubenshilfe für Familien in Krisenzeiten
In der Krise ist alles anders: Keine Schule, kein Kindergarten, stattdessen Homeschooling und Kinderbetreuung durch Eltern im Homeoffice. Plötzlich stehen Familien vor der Herausforderung, ihren gemeinsamen Alltag neu organisieren zu müssen – auch was das Glaubensleben angeht. Schließlich fallen durch die Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus nicht nur Aktivitäten wie Sportverein oder Besuch der Großeltern weg, es finden auch keine Familiengottesdienste oder kirchlichen Jugendgruppenstunden mehr statt. Und spätestens die Gestaltung des Sonntags bedarf in Zeiten der Pandemie mehr Eigeninitiative. Damit Eltern da nicht allein daherstehen, haben sich zwei Pfarreiengemeinschaften im Bistum Trier das Projekt "Kinderpost" ausgedacht.
Für Theresia Stumm war kurz nach Bekanntgabe der Maßnahmen, die auch den Ausfall der Gottesdienste bis nach Ostern bedeuteten, klar: Die Familien in den Pfarreiengemeinschaften Rupertsberg und Guldenbachtal-Langenlonsheim müssen auch unter diesen erschwerten Bedingungen erreicht werden. "Pastoral auf Distanz" nennt die Gemeindereferentin in Ausbildung das. So kam sie auf die Idee mit der Post. "Briefe sind ein Medium, das für Kinder machbar ist", sowohl für das Kindergarten- als auch das Grundschulalter. Außerdem sei die Mehrheit der Angebote für Kinder derzeit ohnehin digital und sie säßen dadurch schon viel vor dem Bildschirm, da sei ihr ein analoges Format wichtig gewesen. Deshalb wird der Brief zwar per Mail verschickt beziehungsweise auf den Homepages der Pfarreiengemeinschaften hochgeladen, die Mandalas und Bibelszenen zum Ausmalen sollen dann aber ausgedruckt werden.
Es ist erklärtes Ziel der "Kinderpost", die Kreativität der jungen Adressaten anzuregen und sie zum Selber-Gestalten anzuregen. Sie sollen "nicht nur Konsumenten sein", wie Stumm betont. Deshalb enthalte das drei- bis fünfseitige Dokument Rätsel, Bastelvorschläge und Bewegungsspiele für drinnen. Ideen, wie das Bauen einer Höhle aus Kissen und Decken oder das Basteln von Hasen aus Kaffeefiltern, sind so formuliert, dass die Kinder sie selbst umsetzen können. Es geht den Autoren darum, dass die Kinder sich auch ohne das Beisein der Eltern beschäftigen können. Deshalb sei auch immer ein Ausmalbild dabei, sagt Stumm.
Ein fester Bestandteil eines jeden Briefs ist die Rubrik "Eine Portion Glauben". Hier finden sich spirituelle Impulse und sonntags beziehungsweise an den kirchlichen Feiertagen die "Couchgottesdienste". Denn allein oder mit den Kindern zu beten, habe vielerorts kaum noch Tradition, sagt Stumm. Sie und ihr Redaktionsteam verstünden ihre Arbeit deshalb auch als Verkündigung. Die Briefe sollten Eltern zeigen, dass es für einen Hausgottesdienst nicht zwingend einen Priester brauche und dass eine freiere Gestaltung möglich sei.
Gottesdienst auf dem Sofa – das klingt erstmal wenig andächtig. Doch hat diese Form durchaus das Potenzial, den Kindern in vertrauter Atmosphäre religiöse Inhalte zu vermitteln. Sie kennen die Lieder aus dem Familien- oder Schulgottesdienst. Zu den Bibeltexten in leichter Sprache gibt es Anregungen, wie man in der Familie über das Gehörte und Gelesene sprechen kann. Und auch hier werden die Kinder zum aktiven Gestalten motiviert, wodurch sie die Geschichten aus der Bibel besser verinnerlichen können. Das zeigt sich zum Beispiel beim "Ostergarten".
Als es auf Ostern zuging, verschickte die Redaktion mit Brief 16 die Anleitung für diesen Ostergarten. Ähnlich einer Osterkrippe war dabei in einer Schale oder einem flachen Topf ein kleiner Garten mit Erde, Steinen und frisch gesätem Gras anzulegen. Im Zuge der Karwoche wurde dieser in den "Couchgottesdiensten" thematisiert und mit Figuren oder Gegenständen bestückt. Indem sie zum Beispiel einen Esel, Nägel, aus Ästen gebastelte Kreuze, ein weißes Stück Stoff oder einen kleinen Engel in den Garten setzten, wurde die jeweilige Szene der Ostergeschichte für die Kinder erlebbar. Bleibt der fertige Ostergarten nach Ostermontag noch auf der Fensterbank stehen, habe die Auferstehung Jesu Christi auch in Krisenzeiten einen festen Platz im Leben der Familien.
Für vier Wochen erschien die "Kinderpost jeden Tag neu. Ein fünfköpfiges Redaktionsteam um Theresia Stumm füllte die Briefe immer wieder mit neuen Beiträgen. Stumms eigene drei Kinder bildeten die Witzeredaktion. Der Vater eines Lesers meldete sich nach einer Woche. Er sei Grafiker, sagte er und wolle gerne das Layout des Briefs übernehmen. Seitdem prangt der Titel "Kinderpost" in großen grünen Lettern über jeder Ausgabe. Übrigens konnten die jungen Adressaten auch hier mitwirken: "Das Schöne an Briefen ist nämlich, dass man zurückschreiben kann. Und so sind wir gespannt auf eure Antworten und Ideen", heißt es direkt im ersten Brief. Und die Resonanz sei groß gewesen, sagt Stumm. Einige der darauffolgenden Ausgaben der "Kinderpost" konnten komplett mit den Beiträgen der Kinder (und einiger Eltern) gefüllt werden.
Wie viele Kinder so erreicht wurden, könne Stumm nicht sagen. Sie wisse aber von Gemeindereferenten aus anderen Teilen des Bistums, die das Projekt auch an Familien in ihren Gemeinden weiterempfohlen hätten. Nur die Zahl der "klassischen Abonnenten", also derjenigen, die die "Kinderpost" per Mail bekommen würden, sei der Redaktion bekannt. Die belaufe sich auf 85, sie gehe deshalb davon aus, dass die Briefe in über 100 Haushalten regelmäßig gelesen würden. In ihren Augen durchaus ein Erfolg für das spontan realisierte Projekt.
Für vier Wochen haben die täglichen Briefe Eltern und Kinder durch die Fastenzeit begleitet und auf Ostern vorbereitet. Ist mit dem höchsten Fest der Christenheit nun alles vorbei? Nein, denn auch wenn die Schutzmaßnahmen langsam gelockert würden, gäbe es für die Familien ja noch länger Beschränkungen – sowohl im Bereich Schule und Kinderbetreuung als auch im kirchlichen Gemeindeleben. "Solange die Familien eingeschränkt leben müssen, planen wir, weiterhin Briefe zu schicken", kündigt Stumm deshalb an. "Bis zum Weißen Sonntag wird die Kinderpost auf jeden Fall täglich erscheinen", doch wie häufig es danach weitergehe, sei noch fraglich. Schließlich sei das Erstellen der mehrseitigen Dokumente für die fünf Erwachsenen und die dreiköpfige Witzeredaktion nicht wenig Arbeit. Doch Stumm könne sich ein mehrmals wöchentliches Erscheinen vorstellen.