Auswirkungen des Verbots öffentlicher Gottesdienste auf Hilfswerke und Pfarreien

Kollekte während Corona: Wenn "die wichtigste Einnahmequelle" wegfällt

Veröffentlicht am 21.04.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der Ausfall öffentlicher Gottesdienste hat auch zur Folge, dass die Kollekte nicht in ihrer üblichen Form stattfinden kann. Wöchentlich kämen in den Gotteshäusern eigentlich Millionensummen zusammen – die jetzt an einigen Stellen fehlen. Ein Blick in Hilfswerke und Pfarreien.

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Das Coronavirus bestimmt in Deutschland den Alltag aller Menschen. Für Christen bedeutet das außerdem, dass sie keine öffentlichen Gottesdienste mehr besuchen können. Zwar sind etwa in Sachsen Gotteshäuser dafür wieder geöffnet und auch in anderen Bundesländern gibt es bereits Beratungen, doch deutschlandweit werden sich Gläubige wohl noch ein wenig gedulden müssen. Abhilfe schaffen zahlreiche Livestreams aus Bistümern, Pfarreien und Klöstern oder daheim gefeierte Hausgottesdienste. Was unter anderem neben dem Empfang der Eucharistie nicht möglich ist: die Kollekte in ihrer üblichen Form. Natürlich gibt es Alternativen, etwa Online-Spenden. Doch es geht nicht wie üblich der "Klingelbeutel" durch die Bänke – und das bei normalerweise 2,1 Millionen Katholiken, die jeden Sonntag in Deutschland den Gottesdienst besuchen (Stand 2018).

Das merken vor allem Hilfswerke wie Misereor. Am fünften Fastensonntag hätte die jährliche Misereor-Kollekte stattfinden sollen. Wie hierzulande verändert das Coronavirus auch das Leben der Menschen in den Ländern völlig, in denen Misereor hilft – allerdings mit einem gravierenden Unterschied: "Corona ist für viele Menschen auch ohne Infektion lebensbedrohlich", so Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel. Menschen, die in Slums wohnen oder Wanderarbeiter hätten meist keine Arbeitslosen- oder Krankenversicherung. Da die Arbeit nun in vielen Fällen wegfällt, fehle das ohnehin knappe Geld. Insbesondere in vielen Ländern Afrikas trifft Covid-19 auf ein mangelhaftes Gesundheitssystem. Aus diesem Grund startet Misereor neue Projekte, um diesen Menschen zu helfen. Daneben wird es bei anderen Projekten schwieriger, sie umzusetzen, sagt Spiegel. "Wenn es in Indien ein Ausgansverbot gibt, wie sollen Projektpartner, die mit Straßenkindern unterwegs waren und sie unterrichtet haben, jetzt mit ihnen in Kontakt treten?", nennt er als ein Beispiel.

"Die Misereor-Kollekte ist ein wichtiges Standbein für die Eigenmittel, die wir jedes Jahr erhalten", erklärt Spiegel. 10 Millionen Euro erzielt das Hilfswerk normalerweise am fünften Fastensonntag – etwa ein Fünftel der Eigenmittel. Dazu ist zu wissen, dass Misereor sich aus vier Quellen finanziert: Die öffentlichen Mittel nehmen den größten Teil ein, hinzu kommen Mittel des Verbands der Diözesen (VDD) sowie vor allem Spenden und die Kollekte. 30 Prozent der erbrachten öffentlichen Mittel muss das Hilfswerk als Eigenmittel einnehmen.

Bild: ©picture alliance/AP Photo/Mohammed Zaatari (Symbolbild)

"Gib Frieden" lautet das Motto der Misereor-Fastenaktion 2020 und stellt besonders die Länder Libanon und Syrien in den Mittelpunkt.

In diesem Jahr kamen über Online-Spenden bisher etwa 430.000 Euro zusammen. Hinzu kommen etwa Spenden, die die Gläubigen ihrer Pfarrei zukommen ließen oder durch Aktionen sammelten. Spiegel spüre viel Solidarität: "Einige liefen einen Marathon und erhielten pro Kilometer einen Beitrag, andere sind im Keller gerudert oder bauten mit der Familie einen Turm und erhielten pro Zentimeter eine Spende", erklärt der Hauptgeschäftsführer. Ob das gebrauchte Geld zusammenkommt, stehe noch im Raum. Die Kollekte nachzuholen sei derzeit zwar nicht geplant, jedoch nicht ausgeschlossen. In wenigen Wochen wolle das Hilfswerk sich einen Überblick darüber verschaffen, was erreicht wurde und dann erneut beraten, sagt Spiegel.

Ähnlich ist die Lage beim Deutschen Verein vom Heiligen Lande, der sich vollständig aus Spenden finanziert. Am Palmsonntag hätte die Kollekte stattgefunden, "die wichtigste Einnahmequelle", sagt Georg Röwekamp, Repräsentant der Organisation in Jerusalem. Die Organisation betreibt katholische Institutionen im Heiligen Land, unter anderem die Schmidt-Schule für 550 palästinensische Mädchen, die Dormitio-Abtei samt Gästehaus oder ein Alten- und Behindertenheim. Daneben betreut der Verein als Hilfswerk Projekte vor Ort.

Drohende Armut

Durch den Einreisestopp und strikte Kontaktverbote bleibe der Tourismus aus, wodurch viele Menschen ihre Arbeit verlieren würden, erklärt Röwekamp. Besonders in Palästina drohe ihnen Armut, da sie kein Sozialsystem auffange. Etliche Familien würden sich das Schulgeld oder gar Lebensmittel künftig nicht mehr leisten können. Auch die Krankenhäuser stünden vor neuen Anschaffungen, etwa von Beatmungsgeräten.

Um all das kümmert sich der Verein und möchte das auch weiterhin tun, doch der Wegfall der Kollekte, zumindest in öffentlichen Gottesdiensten, sowie die Corona-Krise brächten neue Probleme. "In einer Zeit, in der die Not der Christen im Heiligen Land größer wird, mit weniger Geld arbeiten zu müssen: Da ist das schon eine große Herausforderung", so Röwekamp. Deshalb versucht die Organisation auf verschiedenen Wegen, mehr Menschen zu erreichen: Profile auf den Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram wurden erstellt, Online-Spenden erleichtert und Leiter von Einrichtungen sowie Freiwillige setzten Statements, um sie in ihren Netzwerken zu verbreiten. "Da hoffen wir, dass wir zumindest einen Teil dessen sammeln, was sonst mit den normalen Möglichkeiten reinkommt, um möglichst viel von unserer Arbeit hier fortsetzen zu können", sagt Röwekamp.

Bild: ©KNA (Archivbild)

Georg Röwekamp ist Repräsentant des Deutschen Vereins vom Heiligen Land in Jerusalem.

Die Palmsonntagskollekte teilt sich der Verein mit den Franziskanern im Heiligen Land. 1,1 Millionen Euro nahm die Organisation im Jahr 2019 so ein. Doch bisher kam nur ein Bruchteil dessen zusammen, wie eine Sprecherin bestätigt: "Wenn wir 100.000 Euro zusammen hätten, wäre das schon viel." Solidarität spüre jedoch auch der Deutsche Verein vom Heiligen Lande durch den großen Zuspruch, der sich in vielen besorgten Anrufen und E-Mails zeigt. In anderen Teilen der Weltkirche findet die Kollekte für das Heilige Land am Karfreitag statt, wurde aber wegen der Corona-Pandemie auf den 13. September verlegt, einen Tag vor dem Fest Kreuzerhöhung. "Möglicherweise können wir uns da anschließen, um einen weiteren Teilbeitrag zu sammeln", sagt Röwekamp. Das sei jedoch mit der Deutschen Bischofskonferenz abzustimmen.

Nicht nur die Kollekte für Hilfswerke und Organisationen kann nicht in ihrer üblichen Form vollzogen werden, sie fällt ebenso in Pfarreien für interne Zwecke aus. Die Pfarrei St. Peter und Paul im Kannenbäckerland in Rheinland-Pfalz spüre jedoch "noch keine Auswirkungen", sagt Christa Schöneberg. Die Pfarrei rechne immer erst Ende des Jahres alles zusammen. "Ich könnte mir auch vorstellen, dass einige Gläubige Geld in den Opferstöcken hinterlassen", so die Pfarrsekretärin. Außerdem erreichten Spenden, etwa für Misereor, die Pfarrei unter anderem per Überweisung.

Die Kirchengemeinde St. Clemens in Münster-Hiltrup erreichen vereinzelt Barspenden. Dort läuft derzeit zudem eine Spendenaktion für die Sanierung der Pfarrkirche. "Die Aktion ist nicht gefährdet, wir merken aber natürlich schon, dass der Spendenfluss unterbrochen ist", sagt Pfarrer Mike Netzler. Dafür habe er jedoch Verständnis. "Die Menschen haben derzeit ganz andere Sorgen, wie Existenzängste. Das sollte man zuerst im Blick haben", sagt Netzler. Ohnehin seien die Pfarreien derzeit in einer "Warteposition" darauf, wann öffentliche Gottesdienste wieder stattfinden können. Zudem könnten die Gremien wegen des Kontaktverbots ebenfalls nicht tagen, um etwas in Bewegung zu setzen. "Da darf die Sanierung ruhig hintenanstehen – erst einmal", findet der Pfarrer.

Von Melanie Ploch

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