Entscheidung voraussichtlich Ende April

So geht es mit den Gottesdiensten weiter – bald wieder Feier möglich?

Veröffentlicht am 17.04.2020 um 14:44 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Berlin ‐ Zunächst waren die Bischöfe verstimmt: Trotz erster Lockerungen des Corona-Lockdowns gab es keine klare Ansage zu öffentlichen Gottesdiensten. Dabei wäre das verfassungsrechtlich geboten. Nun gibt es einen Fahrplan – und erste Ideen für Hygieneregeln.

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Lockerungen des Gottesdienstverbots werden kommen – immerhin das ist das Ergebnis der Beratungen zwischen Religionsgemeinschaften und Innenministerium, die am Freitag stattgefunden haben. Die Bundesregierung habe die Lockerung "im Blick", verlautete es aus dem Ministerium. Die Bischofskonferenz sei dankbar, "dass wir auf diese partnerschaftliche Art und Weise gemeinsam mit den staatlichen Stellen Lösungen erarbeiten", teilte deren Vorsitzender Bischof Georg Bätzing nach dem Gespräch mit. Bis zu Ergebnissen dauert es aber noch etwas. Erst in einer Bund-Länder-Konferenz Ende April wird darüber beraten. "Schrittweise möglichst bald nach dem 30. April 2020" könne das gottesdienstliche Leben langsam wieder aufgenommen werden, berichtet Bätzing.

Mit dem so erreichten Diskussionsstand werde dem Schutz der Bevölkerung genauso Rechnung tragen wie dem hohen Gut der Religionsfreiheit. Aus der Mitteilung wird aber auch deutlich: Die Politik hat den Ball ins Feld der Religionsgemeinschaften zurückgespielt, die nun Konzepte für sichere Gottesdienste vorlegen sollen, obwohl das Bundesverfassungsgericht zunächst den Staat in der Pflicht sieht, das Grundrecht der Religionsfreiheit zu sichern.

Evangelische Kirche zunächst mit weniger Kritik

Noch Mitte der Woche kamen Töne in einer anderen Tonlage aus der DBK: Bei der ersten Runde an Lockerungsmaßnahmen, die Bund und Länder am Mittwoch vereinbart hatten, wurde die Frage nach Gottesdiensten weitgehend ausgespart. Ohne Enddatum solle es dabei bleiben, dass vorerst keine religiösen Zusammenkünfte möglich sind. Im Laufe der Woche kam aber Bewegung in die Diskussion. Vor allem katholische Bischöfe hatten deutlich eingefordert, angesichts der Öffnung von immer mehr Geschäften auch die Kirchen nicht zu vergessen. Bischof Bätzing, wurde ungewohnt deutlich. Er sprach von "Enttäuschung" und dass er es nicht nachvollziehen könne, dass es in Sachen Gottesdienste zu keiner neuen Entwicklung kam. Von dieser Verstimmung ist nun in der neuen Erklärung nichts mehr zu spüren.

Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Archivbild)

Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hatte sich zurückhaltender zu den Gottesdienstverboten geäußert als sein katholischer Kollege Bischof Georg Bätzing. Für beide großen Kirchen ist aber klar: Ein Dauerzustand ist das nicht.

Evangelische Stimmen waren dagegen zurückhaltender. Zwar sprach auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, am Mittwoch davon, angemessene Gottesdienstformen zu finden. Im Ton war die evangelische Erklärung aber konzilianter. "Wir unterstützen ausdrücklich die weiterhin notwendige gesamtgesellschaftliche Anstrengung", betonte Bedford-Strohm und zeigte sich "zuversichtlich", dass verantwortbare Gottesdienstformen einvernehmlich gefunden werden könnten. Bedford-Strohms Vorgänger Wolfgang Huber wurde im Deutschlandfunk mit Blick auf die Kritik am anhaltenden Gottesdienstverbot deutlich: Von einem "wehleidigen Ton" halte er nichts:  "Es ist mir lieber, wir sind vorsichtig und brauchen uns nicht vorzuhalten, dass eine Infektionsserie von Gottesdiensten ausgeht."

Doch auch in der evangelischen Kirche mehren sich die Stimmen, die sich deutlicher für eine Lockerung aussprechen. Der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen wies am Donnerstag in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) darauf hin, dass vor allem die Einschränkungen bei Beerdigungen schwer wiegen: "Einen Ostergottesdienst kann man auch in einem Jahr wieder feiern, aber eine Beerdigung eben nicht."

Staatsrechtler sehen Lockerung als notwendig an

Der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, der Göttinger Staatsrechtler Hans Michael Heinig, geht davon aus, dass eine Fortschreibung des Gottesdienstverbots letzten Endes keinen Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht hätte. Das hatte in einer Entscheidung vor Ostern deutlich gemacht, dass man die Einschränkung der Religionsfreiheit sehr sorgfältig anhand der aktuellen Lage überprüfen müsse. Wenn Modeboutiquen öffnen dürften, ließe sich ein fortgeltendes pauschales Verbot religiöser Versammlungen kaum mit den Anforderungen des Grundgesetzes vereinbaren, sagte er gegenüber dem epd. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sei es vordringlich, "ein Mindestmaß politischer und religiöser Versammlungsfreiheit wieder zuzulassen".

Schulkinder im Unterricht
Bild: ©Woodapple/Fotolia.com (Symbolbild)

Wenn Schulen den Betrieb wieder aufnehmen, gibt es kaum mehr Argumente, das nicht auch Kirchen für ihre Gottesdienste zu gestatten, argumentieren Verfassungsrechtler.

Das sieht auch sein Bonner Kollege Christian Hillgruber so. "Ein Totalverbot von Gottesdiensten ist aus meiner Sicht spätestens seit den neuen Beschlüssen des Bundes nicht mehr verhältnismäßig", sagte er gegenüber der "Legal Tribune Online". "Wenn nach Auffassung der Regierung Schulunterricht im Hinblick auf den Gesundheits- und Ansteckungsschutz ohne Risiken organisiert werden kann, dann geht das auch bei Gottesdiensten", analysiert der Jurist.

Politiker fordern Beachtung der Religionsfreiheit ein

Rückendeckung erhalten die Kirchen von immer mehr Stimmen aus der Politik. Der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), hatte vor dem Gespräch im Bundesinnenministerium gegenüber dem epd Lockerungen gefordert. Unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen könnten Gottesdienste wieder stattfinden. Was im Plenarsaal des Bundestages möglich sei, müsse auch in Gotteshäusern erlaubt sein, so Grübel. Gegenüber der Zeit plädierte der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) dafür, sich unter Auflagen und Sicherheitsvorkehrungen wieder dem Normalzustand anzunähern: "Mir sind Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit gleichermaßen wichtig. Das stille Kämmerlein reicht da nicht aus. Beides bedarf der sichtbaren Manifestation."

„Das stille Kämmerlein reicht nicht aus.“

—  Zitat: Ministerpräsident Bodo Ramelow

Bereits am Donnerstag fand ein Gespräch der Religionsgemeinschaften in Nordrhein-Westfalen mit der Landesregierung statt. Vorher hatte der Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen, Antonius Hamers, gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur die Erwartung geäußert, "dass wir in NRW zu einer Regelung kommen, die das Feiern von Gottesdiensten mit einer kleinen Öffentlichkeit ermöglicht". Landesregierung und Glaubensgemeinschaften verabschiedeten bei ihrem Gespräch eine gemeinsame Erklärung. Darin wird die Religionsfreiheit gewürdigt und betont, dass "Bereitschaft zum Verzicht" auch eine "Aussicht auf Normalisierung" benötige. Die in dem Papier angekündigte Einigung ist allerdings noch unkonkret: Man sei sich einig, "in den nächsten Tagen gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie das religiöse Leben in den Gemeinden Nordrhein-Westfalens so schnell wie möglich wieder mehr äußere Gestalt annehmen kann, ohne die bisherigen Erfolge im Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus zu riskieren", heißt es in dem Komuniqué.

Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen werden ausgearbeitet

Einheitliche Vorschläge aus Kirche und Politik für Sicherheitsvorkehrungen bei Gottesdiensten gibt es bisher nicht, die katholische Kirch sei aber schon sehr weit bei den Vorbereitungen fortgeschritten, sagte der Leiter des Katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, am Freitag nach dem Gespräch im Innenministerium.

Nach dem Gespräch hat die Bischofskonferenz ein "Briefing" für das Gespräch veröffentlicht, in dem einige Punkte zur Umsetzung genannt wurden. Priorität habe demnach der Sonntagsgottesdienste, für die umfangreiche Maßnahmen zu Abstand und Zugangsbeschränkung erwogen werden.

Gottesdienstbesucher bei einem Werktagsgottesdienst in der Kirchengemeinde Sankt Josef in Offenbach am 18. März 2015. Mehrere Frauen sitzen im Gebet versunken in den Kirchenbänken.
Bild: ©Harald Oppitz/KNA (Archivbild)

Abstand halten wird das Gebot der Stunde sein, wenn Gottesdienste wieder öffentlich gefeiert werden.

Klar ist: Eine Lockerung des Gottesdienstverbots heißt nicht, dass es sofort wie zuvor wird. Konsens ist bei den kursierenden Vorschlägen, die Abstandsregelungen bei Gottesdiensten einzuhalten. Das ist auch international der Fall: In Tschechien hat die Regierung angekündigt, ab dem 27. April wieder Gottesdienste mit bis zu 15 Personen zuzulassen und die Höchstzahl bis in den Juni gestaffelt ansteigen zu lassen, in Polen sind ab dem 20. April wieder Gottesdienste möglich, wenn pro Person 15 Quadratmeter Raum zur Verfügung stehen.

Für viele Fernsehgottesdienste immer noch sinnvoll

Der Staatsrechtler Heinig schlägt über den Mindestabstand hinaus "Mund-Nase-Masken, keine Interaktion zwischen den Versammelten, kein Gesang, kein Abendmahl" vor.In den vergangenen Wochen war gemeinsamer Gesang nach einigen Infektionen in Chören als besonderes Risiko ausgemacht worden. Heinig hält auch eine Pflicht zur Anmeldung rechtlich für zulässig. Der italienische Präventionsmediziner Walter Ricciardi, der an der katholischen Universität in Mailand lehrt und dem Exekutivrat der Weltgesundheitsorganisation angehört, brachte am Freitag in der Zeitung "Avvenire" zudem auch eine Staffelung beim Betreten und Verlassen der Kirchen ins Gespräch, außerdem sollten viele kleine statt wenige zentrale Gottesdienste gefeiert werden, Messen ins Freie verlegt und Kirchenräume regelmäßig desinfiziert werden. Senioren und andere Angehörige von Risikogruppen sollten weiterhin auf Fernsehgottesdienste ausweichen – eine solche feste Regelung von Gottesdienst-Ausschlüssen lehnt das DBK-Papier allerdings ab.

Wann Gottesdienste unter derartigen Auflagen wieder möglich sind, ist nach den Gesprächen im Laufe der Osterwoche immerhin etwas klarer, auch wenn die Formulierung "möglichst bald nach dem 30. April" immer noch viel Interpretationsspielraum lässt. Während der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki schon Anfang der Woche von Planungen für eine Wiederaufnahme berichtete, stellen sich andere Bistümer anscheinend auf einen noch länger andauernden Verzicht ein: Bischof Franz Jung hat am Freitag in einer knappen Erklärung sein Dekret verlängert, das alle öffentlichen Gottesdienste im Bistum Würzburg untersagt – "bis auf weiteres", ohne Enddatum.

Von Felix Neumann

Hinweis zu öffentlichen Gottesdiensten in Deutschland

Die deutschen Bischöfe haben dem Bundesinnenministerium für Inneres konkrete Vorschläge für die Wiederaufnahme öffentlicher Gottesdienste vorgelegt.