"Die Zeit": Pius XII. wusste mehr über Holocaust als bisher bekannt
Papst Pius XII. (1939-1958) soll neuen Aktenfunden zufolge genauer über den Holocaust informiert gewesen sein als bislang bekannt. Wie die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" unter Bezug auf Recherchen des Kirchenhistorikers Hubert Wolf mit Hilfe der Vatikanischen Archive berichtet, hätten ihm im September 1942 seine Mitarbeiter einen Bericht des amerikanischen Botschafters beim Vatikan, Myron Charles Taylor, über die Gräueltaten der Nazis vorgelegt. Konkret sei es in dem Bericht an Pius XII. um die Liquidierung des Warschauer Ghettos und die Verschleppung Hunderttausender Menschen in Konzentrationslager gegangen.
Papst Franziskus hatte die Vatikanarchive mit Dokumenten aus dem Pontifikat von Papst Pius XII., mit bürgerlichem Namen Eugenio Pacelli, Anfang März öffnen lassen. Historiker hatten in der Vergangenheit wiederholt die Öffnung der Archive gefordert, um das umstrittene Verhalten des Pacelli-Papstes im Umgang mit den Nationalsozialisten erforschen zu können. Pius XII. steht seit langem in der Kritik, zum Holocaust geschwiegen und nicht entschieden genug gegen die NS-Verbrechen protestiert zu haben. Der deutsche Schriftsteller Rolf Hochhuth löste 1963 mit der Veröffentlichung seines Theaterstücks "Der Stellvertreter" über Pius XII. eine anhaltende Kontroverse über den Papst aus.
Zwei Wochen vor Öffnung der Vatikanarchive waren Forderungen laut geworden, das Seligsprechungsverfahren für den Pontifex zu stoppen. "Seit 1965 läuft ein Seligsprechungsverfahren für Pius XII., das bis zur gründlichen Auswertung der jetzt neu zugänglichen Bestände gestoppt werden sollte", sagte Wolf damals und fügte hinzu: "Das verlangt der Respekt vor unseren jüdischen Freunden." Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr pflichtete dem bei: "Da würde ich mich dem Votum von Professor Wolf anschließen, auf jeden Fall zu warten, bis die Ergebnisse der Archivsichtung vorliegen." (tmg/epd)