Priester hinter Plexiglas: Erstmals wieder Messe im Kölner Dom
Alle Gläubigen tragen bei Betreten des Kölner Doms Mundschutz. Sie nehmen jeweils an den äußeren Enden einer Bank Platz. Singen dürfen sie nicht, und bewegen darf man sich nur in vorgeschriebene Richtungen. Vor Beginn des Gottesdienstes werden die strengen Regeln ausführlich von der Kanzel aus erklärt. Dann beginnt an diesem Sonntagvormittag der erste gemeinschaftliche Gottesdienst im Kölner Dom seit dem 14. März. Es ist ein Schritt in Richtung Normalität. Aber wirklich normal fühlt es sich noch nicht an.
"Schön, dass es jetzt wieder möglich ist, den ersten öffentlichen Gottesdienst zu feiern", sagt Kardinal Rainer Maria Kardinal Woelki, der das Pontifikalamt zelebriert. Es sei schon jetzt spürbar, wie besonders das physische Miteinander sei. Nur 122 Teilnehmer sind zur ersten Messe im riesigen Kirchenschiff der Kathedrale zugelassen.
"Hier haben Sie mehr Beinfreiheit als in einem Erste-Klasse-Abteil der Bahn"
Ähnlich sieht es in der evangelischen Antoniterkirche in der Kölner Innenstadt aus, wo nur 30 Besucherinnen und Besucher, alle mit Mund-Nasen-Schutz, am ersten Gottesdienst teilnehmen. Sie sitzen auf Stühlen, die jeweils mit mindestens zwei Metern Abstand im Kirchenraum verteilt sind. "Hier haben Sie mehr Beinfreiheit als in einem Erste-Klasse-Abteil der Bahn", witzelt Citykirchen-Pfarrer Markus Herzberg. Er macht aus seiner Nervosität kein Geheimnis: "So schlecht geschlafen habe ich vor einem Gottesdienst das letzte Mal vor meiner allerersten Predigt."
Vieles ist anders als sonst: Bereits am Eingang wird jeder nach seiner Telefonnummer gefragt, um im schlimmsten Fall Infektionswege nachverfolgen zu können. Gesungen wird nicht, um zu verhindern, dass sich virenbelastete Tröpfchen verteilen. Stattdessen begleitet Kantor Johannes Quack den Gottesdienst mit ruhiger, meditativer Musik an der Orgel.
Auch im Dom gelten zahlreiche Hygieneregeln. Die Besucher dürfen nicht singen, dafür singt heute ein kleiner Chor. Der Friedensgruß entfällt. Die Kommunion findet unter strengen Hygieneregeln statt. So sind neben und vor dem Altarraum Plexiglasscheiben aufgestellt, hinter denen die Priester stehen, die die Hostien dann unter den Scheiben an die Gläubigen ausgeben.
"Es geht um den Schutz des Lebens, aber auch um den Schutz der Seelen"
Auf die Veränderungen im Alltag durch die Corona-Pandemie geht Antoniterkirchen-Pfarrer Herzberg auch in seiner Predigt ein. Er verweist auf den Gemeinschaftssinn, der gerade in diesen Tagen gefragt sei, die geprägt seien durch Kontaktsperren, Quarantänen und soziale Distanz. Vor allem ältere Menschen litten unter den Besuchsverboten, sagt Herzberg. "Es geht um den Schutz des Lebens, aber auch um den Schutz der Seelen."
Nach dem Gottesdienst müssen die Besucher die Kirche durch die Nebenausgänge verlassen, da vor dem Haupteingang bereits erneut 30 Menschen auf Einlass warten: Um trotz der Abstandsbeschränkungen möglichst vielen Menschen eine Teilnahme zu ermöglichen, bietet die Antoniterkirche am Sonntag drei Gottesdienste nacheinander an.
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"Ein Stück Normalität ist heute eingekehrt, wenn auch noch nicht so, wie wir es gewöhnt sind", sagt Erzbischof Woelki zum Schluss des eineinhalbstündigen Gottesdienstes im Dom. Er bedankt sich für die Treue der Gläubigen in Corona-Zeiten und wünscht ihnen Gesundheit. Auch für die künftigen Gottesdienste im Kölner Dom bleibt die Zahl der zugelassenen Teilnehmer auf jeweils 122 beschränkt.
Kollektenbeutel an einem besonders langen Stab
Geordnet verlassen die Teilnehmer mit Mundschutz den Dom. Der Domschweizer hält den Kollektenbeutel an einem besonders langen Stab weit von sich weg. Das wirkt schon ein wenig merkwürdig, doch Nicola Maintz, die mit ihren beiden Söhnen den Gottesdienst besucht hat, ist begeistert: "Toll war es. Vor allem die Kommunion." Und klar, das sei schon etwas komisch, wenn man die Hostie unter der Plexiglasscheibe angereicht bekomme. "Aber den Gottesdienst nur vorm Fernseher aus zu sehen, ist noch viel komischer."
Anne Meinberg zieht nach ihrem Besuch in der Antoniterkirche ein kritischeres Fazit: "Es war ganz schön. Besser als nichts. Aber mir hat die Spiritualität gefehlt, das Singen, die Rituale und die Berührungen."