Deutsche Bischöfe begrüßen neue Vatikan-Leitlinien zu Vertriebenen
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat die neuen pastoralen Leitlinien des Vatikan zum Umgang mit Binnenvertriebenen begrüßt. Der für Flüchtlingsfragen in der Bischofskonferenz zuständige Hamburger Erzbischof Stefan Heße sprach am Dienstag von einem "wichtigen Beitrag". Das Papier helfe, auf die prekäre Lage der weltweit 50 Millionen Betroffenen aufmerksam zu machen. "In unseren Debatten gerät oft aus dem Blick, dass die meisten schutzsuchenden Menschen innerhalb des eigenen Landes auf der Flucht sind", so Heße. Da sie nicht unter die völkerrechtlichen Vereinbarungen zum Flüchtlingsschutz fielen, sei ihre Situation meist besonders schwierig.
Der Erzbischof verwies auf einen Besuch in einem provisorischen Camp nahe der äthiopischen Stadt Gondar. Dort sei er einer Gruppe von Binnenvertriebenen begegnet, die von "roher Gewalt" und Hilflosigkeit berichtet hätten. Ethnische und soziale Spannungen, Klimawandel und Ressourcenknappheit führten dazu, dass es auf der ganzen Welt immer mehr solcher Schicksale gebe. Von den "Pastoralen Orientierungen" des Vatikan gehe das klare Signal aus: "Die Kirche steht an der Seite der Binnenvertriebenen."
Der Vatikan hatte die neuen Leitlinien am Dienstag in einer Video-Pressekonferenz vorgestellt. Das rund 50 Seiten umfassende Dokument soll dazu beitragen, ihnen ihre "menschliche Würde zurückzugeben", sagte Kardinal Michael Czerny. Es sei das Ergebnis von Konsultationen mit Kirchenführern und Partnern, die sich um die weltweit mindestens 50 Millionen Binnenvertriebenen kümmerten, so der Untersekretär des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen. Czerny ist der Migrationsexperte des Vatikan und hat das Projekt federführend begleitet.
Diözesen, Schulen, Orden und katholische NGOs als Adressaten
"Die Leitlinien enthalten zahlreiche hilfreiche Vorschläge, wie die Kirche auf die globale Migrationskrise reagieren kann", sagte Czerny. Sie richteten sich etwa an Diözesen, Schulen, Orden und katholische Nichtregierungsorganisationen. Binnenflüchtlinge bräuchten Anerkennung und Unterstützung. Die Kirche müsse bei ihrer Wiedereingliederung mithelfen, so dass sie wieder eine "aktive und konstruktive Rolle" in ihren Ländern spielen könnten. Das sei auch möglich, wo Naturkatastrophen oder Kriege zum Verlust der Heimat geführt haben.
Ein Hauptproblem der Binnenflüchtlinge sei deren "Unsichtbarkeit", betonte Amaya Valcarcel, Anwältin des in 56 Ländern tätigen Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS). Ihre Rechte und Bedürfnisse würden meist ignoriert. "Sie haben niemanden, der sich für sie einsetzt", so die Expertin. Das müsse sich ändern. In den neuen Leitlinien ist zu lesen, die katholische Kirche dürfe sich nicht nur auf Seelsorge für die Binnenvertriebenen und deren Gemeinden beschränken. Sie müsse sich auch stärker für Aussöhnung und nachhaltige Entwicklung in den Krisenregionen starkmachen. So sollten katholische Organisationen stets darauf hinarbeiten, dass Notfall-Camps nicht zu Dauereinrichtungen würden. "Flüchtlingslager sind eine befristete Lösung und kein Ersatz für eine adäquate Unterkunft", heißt es.
Unterdessen teilte das UN-Kinderhilfswerk Unicef am Dienstag in New York mit, dass weltweit etwa 19 Millionen Kinder als Binnenflüchtlinge in ihren Ländern lebten. Allein 2019 sei die Zahl um 12 Millionen gestiegen; 3,8 Millionen davon seien auf der Flucht vor gewaltsamen Konflikten. 8,2 Millionen flohen laut dem Bericht "Lost at Home" vor Naturkatastrophen wie Überflutungen und Stürmen. (tmg/KNA)