Essener Generalvikar wünscht sich klarere Worte gegen Aufruf

Pfeffer zu Viganò-Appell: Ganz viele normale Katholiken sind entsetzt

Veröffentlicht am 11.05.2020 um 09:34 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Der Corona-Aufruf von Erzbischof Viganò, Kardinal Müller und Co. schlägt weiter hohe Wellen: Erneut meldete sich jetzt Essens Generalvikar Klaus Pfeffer zu Wort – und kritisiert fehlenden Widerspruch seitens der katholischen Kirche.

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Der Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, wünscht sich mehr deutliche Worte gegen einen Text hoher Kirchenmänner zur Corona-Krise. Er habe sich zwar über die klare Positionierung von Essens Bischof Franz-Josef Overbeck und die vorsichtige Distanzierung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, gefreut. "Davon abgesehen hält sich der Widerspruch aber in Grenzen", sagte Pfeffer im Interview dem Magazin "Spiegel" (Online, Sonntagabend).

Eine Gruppe um die Kardinäle Gerhard Ludwig Müller und Joseph Zen Ze-kiun hatten zusammen mit Erzbischof Carlo Maria Vigano eine Warnung veröffentlicht, nach der die Corona-Pandemie genutzt werden solle, um eine Weltregierung zu schaffen, "die sich jeder Kontrolle entzieht". Der Ruhr-Generalvikar kritisierte: "Das sind krude Verschwörungsmythen, es werden keine Fakten und Belege präsentiert." Pfeffer erkenne in dem Text eine Nähe zu Rechtspopulisten und auch zu den Anti-Corona-Demonstrationen. Diese Thesen würden "nun in ein religiöses Gewand gehüllt". Es sei erschreckend und gefährlich, dass hochrangige Vertreter der katholischen Kirche so etwas verbreiteten. "Es macht mich fassungslos."

Pfeffer erklärte zudem: "Ganz viele normale Katholiken sind entsetzt. Sie setzen sich jeden Tag dafür ein, die Pandemie einzudämmen und die Probleme zu bewältigen, die aus ihr entstehen. Und nun bekommen sie so einen Aufruf vorgesetzt." Die breite Mehrheit der Gläubigen tragen seinem Eindruck nach die Maßnahmen der Regierung mit. Der Ruf nach Lockerungen sei zwar rund um das Osterfest lauter geworden, aber er sei nie massiv gewesen. "Deshalb überrascht es mich, dass diese Verschwörungstheorien nun offenbar in kirchlichen Kreisen aber auch in Teilen der Gesellschaft insgesamt Zuspruch finden", so der Generalvikar. Er glaube nicht, dass die katholische Kirche ein generelles Problem habe. "Nun aber zeigt sich, dass der eine oder andere abrutscht und sich von vernünftigen Argumenten verabschiedet. Das ist schon heftig", so Pfeffer.

Erzbischof Carlo Maria Viganò
Bild: ©picture alliance/AP Photo/Patrick Semansky

Erzbischof Carlo Maria Viganò war von 2011 bis 2016 Nuntius in den USA. Heute gilt er als einer der größten Gegner von Papst Franziskus.

Bereits am Wochenende hatte der Essener Generalvikar den Corona-Appell der Kirchenvertreter scharf kritisiert. Jeder, der diesen Aufruf unterzeichnet habe, entblöße sich selbst, schrieb Pfeffer auf Facebook. Er sei "einfach nur fassungslos, was da im Namen von Kirche und Christentum verbreitet wird: Krude Verschwörungstheorien ohne Fakten und Belege, verbunden mit einer rechtspopulistischen Kampf-Rhetorik, die beängstigend klingt."

"Die Deutsche Bischofskonferenz kommentiert grundsätzlich keine Aufrufe einzelner Bischöfe außerhalb Deutschlands" sagte der DBK-Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, am Samstagabend: "Allerdings füge ich hinzu, dass sich die Bewertung der Corona-Pandemie durch die Deutsche Bischofskonferenz grundlegend von dem gestern veröffentlichten Aufruf unterscheidet."

Overbeck: Dem muss von Seiten der Kirche klar widersprochen werden

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck schrieb am Wochenende auf Facebook, die Kirche könne zur Bewältigung der Corona-Krise einen klaren Beitrag leisten: "Solidarität zu üben als deutliches Zeichen der Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl und für soziale Gerechtigkeit einzusetzen". Das beschreibe genau das Gegenteil der Positionierung "jener Populisten und anderer Verschwörungstheoretiker, die alle Anstrengungen zur Eindämmung der Pandemie als Vorwand verstehen wollen, eine hasserfüllte technokratische Tyrannei zu begründen und die christliche Zivilisation auszulöschen". Dem müsse von Seiten der Kirche klar widersprochen werden - "ganz gleich, wer solches formuliert!".

Nach wachsender Kritik hatte der deutsche Kardinal Müller seine Unterschrift unter den Text verteidigt. Interessierte kirchliche Kreise hätten das Papier benutzt, "um daraus Empörungskapital gegen ihre vermeintlichen Gegner zu schlagen", erklärte er am Sonntag. "Jeder nennt jetzt jeden Andersdenkenden Verschwörungstheoretiker." Müller sagte weiter, der von Kardinälen, Bischöfen und katholischen Laien unterzeichnete Text werde bewusst missverstanden. Er selbst stehe zu Unrecht im Zentrum der Kritik. (tmg/KNA)