"Spiel mit dem Feuer": Bischof Fürst kritisiert Viganò-Aufruf
Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst hat sich gegen einen von mehreren Bischöfen und Kardinälen unterzeichneten Aufruf gewandt, wonach die Corona-Krise nur ein Vorwand sei, Bürgerrechte einzuschränken und eine "Weltregierung" auf den Weg zu bringen. Von diesen "gefährlichen Theorien" distanziere er sich klar, schrieb Fürst am Montag auf Twitter: "Wer die Bemühungen der Politik, Menschenleben vor dem Coronavirus zu schützen, in eine dubiose Weltverschwörung umdeutet, spielt mit dem Feuer!" Auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer distanzierte sich von dem Aufruf und "macht sich die Worte des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, ausdrücklich zu eigen", wie das Bistum Regensburg am Montag mitteilte.
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) war am Wochenende auf Distanz zu dem Aufruf einer Gruppe um Erzbischof Carlo Maria Vigano sowie die Kardinäle Gerhard Ludwig Müller und Joseph Zen Ze-kiun gegangen. "Die Deutsche Bischofskonferenz kommentiert grundsätzlich keine Aufrufe einzelner Bischöfe außerhalb Deutschlands", sagte der Konferenz-Vorsitzende Bätzing am Wochenende: "Allerdings füge ich hinzu, dass sich die Bewertung der Corona-Pandemie durch die Deutsche Bischofskonferenz grundlegend von dem gestern veröffentlichten Aufruf unterscheidet."
Auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße wandte sich gegen Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. "Ich verstehe diese Stimmen in der Gesellschaft und auch in der Kirche nicht", sagte Heße am Montag. Die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie ergriffen worden sind, halte er für richtig und verantwortungsvoll. "Dass diese Maßnahmen von großen Teilen der Bevölkerung mitgetragen werden, ist ein Ausdruck der Solidarität, die wirklich erforderlich ist", so der Erzbischof. Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige wandte sich gegen eine Verunglimpfung der Vorsichtsmaßnahmen - "verbreitet durch Verschwörungstheoretiker, Wutbürger und einzelne Kommentatoren sowie Politiker". Sogar manche "extreme Kirchenvertreter" gebärdeten sich auf einmal als "Pseudo-Wissenschaftler, Impfgegner und Esoteriker".
In dem im Internet veröffentlichen Aufruf wird kritisiert, die Corona-Pandemie werde als Vorwand genutzt, um "Grundfreiheiten unverhältnismäßig und ungerechtfertigt" einzuschränken, einschließlich des Rechts auf Religionsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Freizügigkeit. So ernst der Kampf gegen Covid-19 sein möge, dürfe er nicht "als Vorwand zur Unterstützung unklarer Absichten supranationaler Einheiten dienen, die sehr starke politische und wirtschaftliche Interessen verfolgen". Zudem behaupteten die Unterzeichner, dass es wachsende Zweifel an der Gefährlichkeit des neuen Coronavirus gebe.
Scharfe Kritik
Am Wochenende hatte der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer bereits scharfe Kritik an dem Aufruf geäußert und seine Position am Montag noch einmal untermauert. "Das sind krude Verschwörungsmythen, es werden keine Fakten und Belege präsentiert." Pfeffer erkenne in dem Text eine Nähe zu Rechtspopulisten und auch zu den Anti-Corona-Demonstrationen. Diese Thesen würden "nun in ein religiöses Gewand gehüllt". Es sei erschreckend und gefährlich, dass hochrangige Vertreter der katholischen Kirche so etwas verbreiteten. "Es macht mich fassungslos." Zudem forderte er stärkeren Widerspruch gegen den Appell seitens der Kirche.
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck schrieb am Wochenende auf Facebook, die Kirche könne zur Bewältigung der Corona-Krise einen klaren Beitrag leisten: "Solidarität zu üben als deutliches Zeichen der Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl und für soziale Gerechtigkeit einzusetzen". Das beschreibe genau das Gegenteil der Positionierung "jener Populisten und anderer Verschwörungstheoretiker, die alle Anstrengungen zur Eindämmung der Pandemie als Vorwand verstehen wollen, eine hasserfüllte technokratische Tyrannei zu begründen und die christliche Zivilisation auszulöschen". Dem müsse von Seiten der Kirche klar widersprochen werden - "ganz gleich, wer solches formuliert!".
Nach wachsender Kritik hatte der deutsche Kardinal Müller seine Unterschrift unter den Text verteidigt. Interessierte kirchliche Kreise hätten das Papier benutzt, "um daraus Empörungskapital gegen ihre vermeintlichen Gegner zu schlagen", erklärte er am Sonntag. "Jeder nennt jetzt jeden Andersdenkenden Verschwörungstheoretiker." Müller sagte weiter, der von Kardinälen, Bischöfen und katholischen Laien unterzeichnete Text werde bewusst missverstanden. Er selbst stehe zu Unrecht im Zentrum der Kritik. (tmg/KNA)
11.5., 14:25 Uhr: Ergänzt um Heße. 17:05 Uhr: Ergänzt um Feige.