Wie Schüler verstehen, dass Christi Himmelfahrt nicht nur Vatertag ist
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Gestern haben wir das Fest Christi Himmelfahrt gefeiert. Im Bewusstsein der Menschen in unserem Land und somit auch im Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler gibt es nach meiner Beobachtung dieses Fest als solches nicht mehr – es ist vielmehr zum Vatertag mutiert. Lohnt es sich also überhaupt noch, sich mit diesem Fest in der Schule zu beschäftigen? Ich denke schon, wenn man es im Kontext von Ostern sieht.
Deshalb einige Gedanken und Erfahrungen aus meinem Unterricht zur Auferstehung Jesu mit Himmelfahrtsperspektive. Meine Unterrichtsstunden zur Auferstehung Jesu habe ich mit großem Gewinn in den letzten Jahren immer wieder mit der Installation "Tabula saltandi" begonnen, die der Künstler Werner Hofmeister 2003 im Rahmen der Ausstellung "HimmelSchwer. Transformationen der Schwerkraft" auf dem Kalvarienberg in Graz als Kreuzwegstation errichtet hat. Jesus steht auf dem Querbalken des Kreuzes, bereit zum Absprung. Das Kreuz als Sprungbrett.
Jesus springt in ein anderes Leben
Was kommt Schülerinnen und Schülern in den Sinn, wenn sie diese Installation sehen? Jesus springt in ein anderes Leben oder auch Jesus ist immer noch mit seiner Existenz im Diesseits verhaftet – mit dem Kreuz verbunden, kommt noch nicht los. Jedenfalls – so habe ich es erlebt - kann es mit dieser für Jugendliche ungewöhnlichen Installation gelingen, ihre gedankliche Kreativität zu wecken und für so etwas wie die Auferstehung Jesu zu interessieren. Die Aufgabe, einen Beitrag für einen Ausstellungskatalog zu schreiben, der auch von Besuchern gelesen wird, die kaum bis gar nicht über einen christlichen Hintergrund verfügen, stellte eine besondere Herausforderung, aber auch einen gewissen Ansporn für die Schülerinnen und Schüler dar, ermöglichte aber auch einen Einblick in die Lernausgangslage.
Angesichts der aktuellen Lage stellt sich natürlich die Frage, ob und inwiefern ein Einstieg mit diesem Kunstwerk auch 2020 angebracht und hilfreich sein kann. Ich meine ja, denn vielleicht brauchen wir alle in diesem Jahr eine "Verstärkung" des Osterfestes und so kann und darf man ja das Fest Christi Himmelfahrt verstehen.
Eine weitere Aufgabe in meinen Religionsstunden war, ob und wenn ja wie es möglich ist, die Installation als Gegenstand religiöser Auseinandersetzung und Anregung zum Nachdenken in Verbindung mit 1 Kor 15, 3-19, dem ältesten Auferstehungszeugnis, zu bringen. Ich habe in beeindruckender Weise erlebt, wie Schülerinnen und Schüler sich der Aufgabe gestellt haben meditative Gedanken zu verfassen. Auch in der derzeitigen Situation könnte ich mir ein solches Vorgehen vorstellen. Natürlich kann ich an dieser Stelle nur etwas antizipieren, vermuten, was bei den Jugendlichen im Vordergrund stehen könnte: Wie haben Schülerinnen und Schüler Ostern erlebt? Vielleicht so, wie es Heribert Prantl in seinem Kommentar zu Karfreitag und Ostern 2020 in der Süddeutschen Zeitung beschreibt: "Ostern 2020 ist das Hochfest, das kein Fest ist, weil fast alles ausfällt, was zu diesem Tag gehört, vor allem die Begegnung der Menschen miteinander. Ostern 2020, das sind die Tage der großen Irritation. Aber eben diese Irritation, die Furcht und die Angst sind etwas Ur-Österliches. (…) Beim Evangelisten Markus finden wir am Ende der Ostererzählung Irritation, Fassungslosigkeit, Schweigen und großer Sprachlosigkeit. In ihr spiegelt sich die Sprachlosigkeit des Ostern 2020, in der niemand vollmundig von Auferstehung reden mag."
Das Kreuz als Tanzfläche
Und doch endet das Evangelium nicht damit – die Jüngerinnen und Jünger werden nach Galiläa geschickt, zurück in ihren Alltag mit all ihren Widersprüchen, Widerwärtigkeiten und Ausweglosigkeiten – dort wo alles begonnen hat mit Jesus werden sie ihm begegnen, um noch einmal den Weg mit ihm zu gehen. Auf Ostern 2020 folgt Christi Himmelfahrt. Jesus steht auf dem Kreuz – das Kreuz als Tanzfläche in Erinnerung an die "ars moriendi" des Mittelalters. Auf den Gräbern der Toten wurde wegen der Hoffnung über den Tod hinaus getanzt. Jesus ist aber gleichzeitig auch auf dem Sprung in ein anderes Leben.
Vielleicht fühlt sich das ja auch für unsere Schülerinnen und Schüler so an. Vielleicht eröffnen sich neue Perspektiven, angeregt durch aktuelle Fragen: Welche Prioritäten setze ich in meinem Leben? Wie verhalte ich mich gegenüber meinen Mitmenschen, um sie durch mein Verhalten möglicherweise zu schützen? Was treibt mich an, in besonderer Weise Gemeinschaft zu leben? Ist da angesichts der vielen Fragen, mit denen ich jeden Tag konfrontiert werde, überhaupt noch Platz für Religion und Glaube oder bietet ein gerade jetzt unbedingt notwendiger Religionsunterricht Raum, meine Ängste und Sorgen allein und gemeinsam mit anderen zu verarbeiten, zu kommunizieren und mit einer Hoffnungsperspektive zu versehen?