Kirchenführer verurteilen "Missbrauch ihrer Gotteshäuser" durch Trump
Die Tränengasschwaden über dem Lafayette-Platz hatten sich kaum verzogen, da postete das Weiße Haus schon ein Video: Zu triumphaler Musik bewegte sich darauf ein Tross unter Führung von Präsident Donald Trump zur St. John's-Episkopalkirche in Washington. Vor dem historischen Gotteshaus, in dem schon Präsident James Madison betete, nahm Trump am Montag Aufstellung und streckte mit grimmigem Blick eine Bibel in die Höhe.
Der katholische Erzbischof von Washington, Wilton Gregory, befürchtete daraufhin, dass der - schon länger geplante - Besuch am Dienstag im Nationalschrein für den heiligen Papst Johannes Paul II. (1978-2005) ähnlich instrumentalisiert würde. In einer offiziellen Erklärung gab der erste schwarze Oberhirte von Washington unmissverständlich zu erkennen, dass Trump in dem Museum nicht willkommen sei. Dennoch legte dieser dort mit Ehefrau Melania einen Kranz nieder und postete Fotos, auf denen die beiden betend vor dem Schrein knien.
Erzbischof legt sich mit Konservativen an
Der Vorgang ist nach Ansicht von Fachleuten im höchsten Maße ungewöhnlich, da sich der Erzbischof mit den konservativen "Kolumbus-Rittern" anlegt, die das Museum finanzieren. Er finde es "verblüffend und verwerflich", dass sich eine katholische Einrichtung dafür hergebe, "so ungeheuerlich missbraucht und in einer Weise manipuliert zu werden, die religiöse Prinzipien verletzt", erklärte Gregory. Gewiss hätte Johannes Paul II. "den Gebrauch von Tränengas und anderen Abschreckungen" nicht gebilligt, die eingesetzt worden seien, Demonstranten "ruhigzustellen, auseinanderzutreiben und einzuschüchtern, für eine Foto-Gelegenheit vor einem Ort des Gebets und des Friedens".
Klarer hätte der Erzbischof sein Missfallen über das Vorgehen Trumps nicht ausdrücken können. Wie er auch keinen Zweifel daran ließ, wo die Kirche beim Thema Polizeigewalt steht, das die landesweiten Proteste in mehr als einhundert Städten ausgelöst hat. "Der Horror des Todes von George Floyd und alle Akte des Rassismus verletzen uns alle als Teil des Körpers Christi", so der erste afroamerikanische Erzbischof der Hauptstadtdiözese, die er seit gut einem Jahr leitet. Alle Menschen seien als Ebenbild Gottes geschaffen "und verdienen dieselbe Würde", hatte Gregory bereits vergangene Woche erklärt. Der 46-jährige Schwarze Gregory Floyd war am 25. Mai unter dem Knie eines weißen Polizisten in Minnesota qualvoll erstickt.
Die Bischöfin der Episkopalkirche von Washington, Mariann Budde, zeigte sich "empört", dass der Präsident mit Tränengas gegen friedliche Demonstranten vorgehen ließ, um danach "eine unserer Kirchen als Kulisse zu benutzen". Entgegen der seit dem 19. Jahrhundert praktizierten Gepflogenheiten habe Trump seinen Besuch des Gotteshauses nicht mindestens eine halbe Stunde vorher angemeldet.
Die Vorboten waren diesmal andere. Während einer kurzfristig angesetzten Rede aus dem Rosengarten des Weißen Hauses am Montagabend gingen Sicherheitskräfte mit Gummigeschossen und Tränengas gegen rund 1.000 Menschen vor, die sich friedlich auf dem Lafayette-Platz versammelt hatten. In der Rede drohte Trump damit, die landesweiten Proteste mit dem Militär niederzuschlagen.
Trumps Auftritt als "Sakrileg"?
Trump beendete seine Ausführungen mit dem kryptischen Hinweis, er werde nun "einem sehr, sehr speziellen Platz seinen Respekt erweisen". Er verriet nicht, dass die Sicherheitskräfte dafür auch Geistliche der Episkopalkirche vertrieben hatten, die vor der St. John's-Kirche eine Erste-Hilfe- und Verpflegungs-Station für Demonstranten betrieben.
"Sie haben einen heiligen Platz in ein Schlachtfeld verwandelt", beschwerte sich die Geistliche Gini Gerbasi über das Vorgehen der Polizei. Sie selbst sei von martialisch auftretenden Sicherheitskräften vertrieben worden. Kurz darauf habe Trump mit seiner Bibel an derselben Stelle posiert: "Leute sind wegen eines Fotos des Präsidenten vor der Kirche verletzt worden."
Der ehemalige Redenschreiber von Präsident George W. Bush, Michael Gerson, verurteilte Trumps Auftritt als "Sakrileg". Vizepräsident Joe Biden, ein Katholik, sagte in einer Grundsatzrede im Rathaus von Philadelphia, der Präsident sei "mehr an der Macht als am Wohl der Menschen interessiert". Statt die Bibel hochzuhalten, hätte er diese besser einmal aufgeschlagen und darin gelesen: "Er hätte etwas lernen können."