Nach Online-Gottesdiensten und mit Hygienemaßnahmen

Bringt die Pandemie eine neue Wertschätzung für die Eucharistie?

Veröffentlicht am 11.06.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Für Katholiken ist es selbstverständlich, eine Sonntagsmesse besuchen zu können. Die Corona-Pandemie hat diese Praxis unterbunden. Hat sie auch ein neues Bewusstsein für das Sakrament und das Allerheiligste geschaffen?

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Sie ist Quelle und Höhepunkt des Lebens der Kirche und gilt als Herz jedes Gottesdienstes. Die Eucharistiefeier feiert die Gemeinschaft mit Jesus Christus. Zu Fronleichnam erinnern die Gläubigen an die Gegenwart Jesu im Sakrament der Kommunion. Die Botschaft der feierlichen Prozession mit der geweihten Hostie im Allerheiligsten: Gott ist mitten unter uns. Katholiken ziehen aus dem Sakrament der Eucharistiefeier Stärkung im Glauben und Kraft für den Alltag. Doch auf diese Stärkung mussten sie durch ausgefallene Messen und Online-Angebote nun viele Wochen verzichten. Den einen fiel das leichter, andere taten sich schwer damit, nicht zur Kommunion gehen zu können.

Gerald Goesche, leitender Probst einer Berliner Gemeinde, zog deshalb sogar vor Gericht. Gemeinsam mit einem hessischen Katholiken erstritt er sich am 10. April vor dem Bundesverfassungsgericht eine viel beachtete Entscheidung. Demnach stellen Gottesdienstverbote einen "überaus schweren Eingriff in die Glaubensfreiheit" dar. Diese müssten daher befristet sein und ständig auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Der Kläger habe nachvollziehbar dargelegt, dass die gemeinsame Feier des Gottesdienstes und der Empfang der Eucharistie nach katholischer Überzeugung ein zentraler Glaubensbestandteil seien.

Unterschiedliche Regelungen in den Pfarreien

Marius Linnenborn, Leiter des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier, lobt die Urteilsbegründung. Diese habe "sehr gut die Bedeutung der Eucharistie erfasst". Zugleich verweist Linnenborn auf die "große Bandbreite", wie die Gemeinden und Priester landauf, landab in den vergangenen Wochen mit den Gottesdienstverboten umgegangen seien und mit den Einschränkungen weiterhin umgehen: Einigen Seelsorgern sei der Vorwurf gemacht worden, sie seien "viel zu eucharistiezentriert"; andere hätten über Wochen gar keine Eucharistie mehr gefeiert.

Eine Frau empfängt die Eucharistie
Bild: ©Fotolia.com/Gerhard Seybert (Symbolbild)

Für Katholiken ist der Empfang der Eucharistie zentraler Bestandteil ihres Glaubens.

Viele Pfarreien hätten sehr umsichtig und verantwortungsvoll begonnen, wieder öffentlich Messen zu feiern. Aber es gebe auch nach vor Gemeinden, "die noch nicht terminiert haben, wann sie überhaupt wieder einen Gottesdienst feiern". Dennoch betont Pfarrer Linnenborn: "Die Wichtigkeit der Eucharistie sollte uns bewusst sein."

"Meist belehrt erst der Verlust über den Wert der Dinge" – dieser Satz wird Arthur Schopenhauer zugeschrieben. Was aber, wenn der Verlust gar nicht schmerzt? Eine Beobachtung unter vielen anderen, die der Vizeprovinzial der Pallottiner, Michael Pfenning, gemacht hat. Nachdem erste Messen unter Corona-Auflagen wieder möglich waren, haben die Pallottiner eine Umfrage gestartet.

Mehr "Beschäftigung mit dem Sinn der Eucharistie"

Der Tenor: Die meisten Gläubigen wollten lieber warten, bis Gottesdienste wieder allen zugänglich sind. Aber es gab auch Stimmen, die sich freuten, überhaupt wieder eine Messe erleben zu können. Das Spektrum der Rückmeldungen war groß. Ein Mann schrieb, Gummihandschuhe und Greifzange seien für ihn mit der Ehrfurcht vor dem Leib Christi unvereinbar. Andere störten sich an Sicherheitsabständen und Anmeldelisten. Wieder andere entwickelten eigene spirituelle Rituale. So findet eine Frau es wohltuender, eine leere Kirche zu besuchen, eine Kerze zu entzünden oder den Gottesdienst im Internet mitzuerleben. "Das erfüllt mich mehr, da ist Gott mir näher als bei solchen verkrampften Hygiene-Gottesdiensten", schreibt sie.

"Die Menschen merken, was ihnen abgeht, aber sie merken plötzlich auch, dass ihnen nichts abgeht", erklärt Pfenning. Er versteht das auch als Einladung, sich zu fragen: "Wie müsste Messe sein, dass wir sie vermissen?" Der Ordensmann sieht es als Chance, den Gottesdienst als spirituelles Ereignis neu zu entdecken und die Gestaltung entsprechend zu vertiefen.

Ob durch die vorübergehende Abstinenz die Wertschätzung für das Sakrament gestiegen sei, kann Pfenning nicht sagen. Zugenommen habe aber "die Beschäftigung mit dem Sinn der Eucharistie". Der Diskurs darüber sei "so lebendig wie nie zuvor". Pfenning wünscht sich, dass die Gläubigen neu entdecken, wie die Eucharistie im gemeindlichen Leben wieder zur Kraft- und Inspirationsquelle werden kann "und dass der Sinn für das Heilige als Heilendes lebendig wird".

Von Angelika Prauß (KNA)