Vatikan-Experte: Trump-Lob für Viganò ist Angriff auf den Papst
Nach Ansicht des Vatikan-Experten Christopher Lamb könnte sich das Lob von US-Präsident Donald Trump für einen Offenen Brief von Erzbischof Carlo Maria Viganò als "Eigentor" erweisen. "Das könnte zum Problem werden und nach hinten losgehen", sagte Lamb dem Kölner katholischen Internetportal domradio.de: Wenn Trump den erklärten Papstgegner Viganò unterstütze, "dann werden einige Katholiken, die Trump 2016 guten Gewissens unterstützt haben, jetzt denken: Moment mal, unterstütze ich einen Präsidenten, der mit meinem Papst im Konflikt liegt?"
Trump hatte am Mittwochabend (Ortszeit) getwittert, er fühle sich durch den "unglaublichen Brief von Erzbischof Viganò sehr geehrt". Und: "Jeder, ob gläubig oder nicht, sollte ihn lesen!" Viganò hatte zuvor einen Brief veröffentlicht, in dem er die Auseinandersetzungen der vergangenen Monate als Kampf biblischen Ausmaßes beschrieb. Die Mehrheit der "Kinder des Lichts" kämpfe gegen die Minderheit der "Kinder der Dunkelheit", die "strategische Positionen in Regierungen, Politik, Wirtschaft und Medien innehaben".
Aus Lambs Sicht zeigt Viganòs Brief "ein ziemlich apokalyptisches Weltbild". Er spreche von einer Verschwörung gegen Trump. Die Anti-Rassismus-Proteste und die Corona-Einschränkungen dienten demnach alle dazu, Trumps Wiederwahl zu torpedieren: "Er unterstützt die Politik von Trump in einem Brief voller Verschwörungstheorien."
Problematisch, so Lamb, könne für Trump werden, dass Viganò, der früher Vatikan-Botschafter in den USA war, ein umstrittener rechtskatholischer Außenseiter sei, der unter anderem Papst Franziskus zum Rücktritt aufgefordert hatte: "Trumps Unterstützung und Lob für Viganò ist also in verschiedener Hinsicht ein Angriff auf den Heiligen Stuhl. Erzbischof Viganò ist gegenüber dem Papst ganz klar feindlich eingestellt, und das auf außergewöhnliche Weise."
Informationen vom rechten Rand?
Dass Trump all dies bewusst sei, könne er sich kaum vorstellen, so Lamb weiter. Doch lege es nahe, dass der Präsident seine Informationen über die katholische Kirche von Kreisen am rechten Rand bekomme: "Es gibt ganz klar Katholiken, einzelne Menschen, aber auch Institutionen, die versuchen, den Präsidenten in einen Kampf mit dem Papst zu treiben."
All das sei ein Problem für die Beziehungen zwischen dem Vatikan und den USA: "Das bringt auch einiges an Problemen für eine Reihe bekannter US-Katholiken, die den Präsidenten unterstützen, aber auch ihren Einfluss im Vatikan behalten wollen, und dem Papst ihre Loyalität versichern. Man kann hier nicht zwischen den Stühlen sitzen. Man muss sich für Erzbischof Viganò oder Papst Franziskus entscheiden."
Carlo Maria Viganò war von 2011 bis 2016 Apostolischer Nuntius in Washington. Er ist einer der schärfsten Wortführer der radikal konservativen Minderheit in der katholischen Hierarchie und gilt als einer der Köpfe der innerkirchlichen Opposition gegen Papst Franziskus. Zuletzt sorgte er mit einem Appell zur Corona-Krise für Aufsehen. Darin warnte er unter anderem davor, dass die Pandemie dazu genutzt werden soll, um eine Weltregierung zu schaffen, "die sich jeder Kontrolle entzieht". Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehörte auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller. (mal/KNA)