Standpunkt

Nach dem Lockdown tut der Kirche Erneuerung not

Veröffentlicht am 26.06.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Für Julia Knop hat die Corona-Krise auch in der Kirche unumkehrbare Klärungsprozesse in Gang gesetzt. Mancher Verzicht habe sich als verschmerzbar gezeigt. Daher helfe auch keine nostalgische Rückkehr zur "guten alten Zeit", kommentiert sie.

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War der Lockdown die große Ausnahme? Wird, wenn die nächste Welle der Pandemie überstanden oder ein Impfstoff verfügbar ist, wieder alles so wie früher? Wird dann alles wieder gut? Manche hoffen das, andere befürchten es. Wahrscheinlich ist es nicht. Denn die Erfahrungen der letzten Monate haben unser Leben verändert. Der Ausnahmezustand wird irgendwann vorbei sein; die künftige Normalität wird eine andere sein.

Manche ad-hoc gefundene Lösung war nicht tragfähig. Homeoffice, Homeschooling und Kleinkinderbetreuung lassen sich nicht schadlos gleichzeitig realisieren. Manche als Notlösung geborene digitale Formate wiesen hingegen neue Wege. Davon wird man einiges beibehalten und nicht zur guten alten Zeit zurückkehren. Das ist auch deshalb nicht ratsam, weil die alte Zeit nicht einfach gut war. Von den menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen in der Fleischindustrie wussten wir schon vor Corona. Nicht das Problem ist neu, sondern die Aufmerksamkeit, die es findet.

Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas. Bestehende Probleme werden deutlicher, angestaute Konflikte schärfer, laufende Entwicklungen schneller. Es kamen Klärungsprozesse in Gang, die nicht umkehrbar sind. Wie wollen wir leben? Was ist uns wichtig? Und in der Kirche: Wie können wir glauben? Wie wollen wir beten? Wie gestalten wir Kirche? Was sollten wir verändern? Was befördert, was behindert ein vitales Christentum?

Der Lockdown erzwang einschneidenden Verzicht. Zum Symbol der religiösen Ausnahme wurde der Sonntagsgottesdienst. Nicht von ungefähr entbrannten über Ersatzformate heftige Debatten. Inzwischen ist die gemeinsame Feier vielerorts wieder möglich. Doch der große Andrang scheint auszubleiben. Auch hier kamen Klärungsprozesse in Gang. Treue Kirchgänger, vor kurzem sogar eine Gruppe Ordensfrauen, bekunden überrascht, dass der Verzicht auf die Sonntagsmesse verschmerzbar war. Es ging auch ohne. Einige entwickelten alternative Formen zu beten, andere nicht. Auch solche Erfahrungen prägen den Weg aus der Krise. Nostalgische Rückkehr zur guten alten Zeit führt die krisenbehaftete Kirche nach der Corona-Krise jedenfalls nicht weiter. Erneuerung tut not.

Von Julia Knop

Die Autorin

Julia Knop ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.