Das "zebis": Ein "Seismograf" für ethische Fragen in der Bundeswehr
Bewaffnete Drohnen, im Einsatz traumatisierte Soldaten oder die Aussetzung der Wehrpflicht – diese brisanten Themen haben die Bundeswehr in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt und führen auch heute noch zu Diskussionen in Politik und Gesellschaft. Um Soldaten bei diesen und weiteren ethischen Fragen Orientierung zu geben, wurde vor zehn Jahren das "zebis" ins Leben gerufen. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich die offizielle Bezeichnung einer Einrichtung des katholischen Militärbischofs für die Bundeswehr: das "Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften".
"Das zebis gibt wichtigen Debatten an der Schnittstelle von Militär, Wissenschaft, Kirche und Seelsorge einen Ort", fasst Veronika Bock den Auftrag des Zentrums zusammen. Es sei ein "Seismograf" für die ethischen Fragen, die gegenwärtig innerhalb der Streitkräfte auftreten, ist Bock überzeigt, die das zebis seit seiner Gründung 2010 leitet. "Als kirchliche Einrichtung im Gefüge der Bundeswehr haben wir die nötige Freiheit, diese Themen anzusprechen und auf der Höhe der Zeit zu behandeln." Die promovierte Theologin ist überzeugt, dass die "verschiedenen militärischen Akteure sehr dankbar dafür sind, dass es das zebis als Forum für diese Fragen gibt".
Diese Haltung seitens der Bundeswehr ist keine Selbstverständlichkeit, denn es waren negative Schlagzeilen aus der Truppe, die zur Gründung des zebis geführt haben. So rief 2006 etwa die "Totenkopf-Affäre" große Entrüstung hervor: Einige deutsche Soldaten hatten sich in Afghanistan dabei ablichten lassen, wie sie mit menschlichen Schädeln posierten. Die Fotos wurden publik und lösten einen Skandal aus. In der Bundeswehr erwuchs aus diesem und anderen Fällen von moralischem Fehlverhalten die Überzeugung, dass alle Soldaten ethisch weitergebildet werden müssen.
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Deshalb wurde 2010 der Lebenskundliche Unterricht für sie verpflichtend, der in der Verantwortung von Militärseelsorgern liegt und zuvor auf freiwilliger Basis stattgefunden hatte. "Jeder deutsche Soldat soll sich bewusst in diesem Kontext mit ethischen Fragen auseinandersetzen", erläutert Heinrich Dierkes die dahinterstehende Idee. Der Theologe hat selbst mehrere Jahre Lebenskundlichen Unterricht gegeben: "Darin geht es etwa um das Leben als Soldat und Mensch, das Nachdenken über den Umgang mit Waffen oder das eigene Verhältnis zum Staat." Es könnten zwar religiöse Themen zur Sprache kommen, um Religionsunterricht handele es sich dabei jedoch nicht, betont Dierkes, der heute als stellvertretender Direktor zum neunköpfigen Team des zebis gehört.
Um die Militärseelsorger bei der in diesem Zuschnitt für sie neuen Aufgabe zu unterstützen, gründete der damalige Militärbischof Walter Mixa im Jahr 2010 das zebis. Eigentlich als ökumenische Einrichtung gedacht, wird es heute finanziell ausschließlich von der Katholischen Militärseelsorge getragen; die Angebote stehen jedoch den Seelsorgern beider Konfessionen offen. Als Standort wurde Hamburg gewählt, da dort mit der Führungsakademie und der Universität der Bundeswehr zwei bedeutende Ausbildungsinstitutionen der Streitkräfte angesiedelt sind. Auch das Institut für Theologie und Frieden, das wie das zebis vom katholischen Militärbischof getragen wird, hat seinen Sitz in der Hansestadt.
Aus Sicht von Bock hat sich Hamburg als Standort bewährt: "Das zebis ist ein Multiplikator für ethische Themen, daher ist die gute Vernetzung mit den Institutionen vor Ort sehr wichtig." Es gebe jedoch auch Kooperationen mit anderen Bundeswehreinrichtungen, wie dem Zentrum Innere Führung in Koblenz oder der Sanitätsakademie in München, mit der im November eine gemeinsame Veranstaltung geplant sei. In der Zusammenarbeit mit den Akademien diverser Diözesen spiegele sich zudem die "weltanschauliche Ausrichtung" des zebis wider, so die Direktorin: "Die kirchliche Friedensethik ist unsere Basis."
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Die Arbeit des zebis gliedert sich in drei Bereiche, die sowohl ins Innere der Streitkräfte hineinreichen als auch außerhalb der Bundeswehr wirken wollen. Das Didaktikportal für den Lebenskundlichen Unterricht ist für jeden Militärseelsorger zugänglich und stellt Stundenentwürfe, Materialien sowie ganze Unterrichtsreihen den mehr als 200 Nutzern zur Verfügung. Bei der Erarbeitung der Inhalte wolle man besonders auf den Bedarf der Seelsorger eingehen, erklärt Bock. Deshalb biete das zebis zudem inhaltliche und didaktische Schulungen an.
Das E-Journal "Ethik und Militär" richtet sich hingegen auch an eine interessierte Fachöffentlichkeit jenseits der Bundeswehr, etwa im universitären Kontext. Die Publikation erscheint zweimal pro Jahr in deutscher sowie englischer Sprache und wird daher auch international wahrgenommen, berichtet die Direktorin des zebis. Bei der Themenauswahl spiele die Aktualität eine Rolle: In der nächsten Ausgabe könnte es etwa um die Corona-Pandemie gehen. 2015 habe sich die Ausgabe zum Thema Medizinethik mit dem Begriff der Triage auseinandergesetzt, also der Einteilung von Patienten in einer Krisensituation in verschiedene Gruppen hinsichtlich der Behandlung – ein Konzept, das vor einigen Monaten angesichts der gesundheitlichen Bedrohung durch Corona weltweit im Gespräch war.
Verhältnis zur Bundeswehr "erstaunlich reibungsfrei"
Der dritte Pfeiler ist die Organisation von Diskussionsveranstaltungen zu militärethischen Themen. Dabei legt das zebis einen besonderen Wert auf kontroverse Fragestellungen, die im Zusammenspiel mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen behandelt werden. "Unsere erste Diskussionsveranstaltung fand 2010 zum gezielten Töten statt – ein Thema das heute wieder sehr aktuell ist", so Bock. Aber auch mit den Problemen von digitaler Kriegsführung oder Frauen in der Bundeswehr haben sich die Symposien schon beschäftigt.
Die Soldaten wünschen sich in der Regel kontroverse Themen bei den Veranstaltungen des zebis, berichtet Dierkes. Diesem Anliegen entspreche das Zentrum gerne, schließlich habe es als erste Einrichtung im Umfeld der Bundeswehr öffentlich auf die Problematik bewaffneter Drohnen hingewiesen. Gleichzeitig sei das zebis "stets auf Ausgleich bedacht und versteht sich als einladend, nicht ausgrenzend". Direktorin Bock betont die "sehr gute Annahme der Veranstaltungen" durch die Soldaten. Auch das Verhältnis der kirchlichen Einrichtung zur Bundeswehr sei in den zehn Jahren des Bestehens "erstaunlich reibungsfrei" gewesen. Das hofft Bock auch für die Zukunft, denn das zebis erfülle eine wichtige Mission: es bringe Bundeswehr und Gesellschaft miteinander in Austausch. "Wir tragen ethische Fragen in die Streitkräfte hinein und Themen der Bundeswehr in den gesellschaftlichen Diskurs."