Am 13. August 1930 wurde die deutsche Hauptstadt Bischofssitz

90 Jahre Bistum Berlin: Eine Diözese im Sturm der Zeit

Veröffentlicht am 13.08.2020 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Berlin ‐ Verglichen mit anderen Bistümern kann Berlin erst auf ein relativ kurzes diözesanes Leben zurückblicken. Schließlich wurde das Bistum Berlin erst am 13. August 1930 gegründet. Doch diese 90 Jahre hatten es in sich, und die Diözese war über viele Jahre im permanenten Ausnahmezustand.

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Der 13. August nimmt im historischen Gedächtnis Berlins seit fast sechs Jahrzehnten einen wichtigen Platz ein. Schließlich errichtete die DDR-Führung an diesem Tag im Jahr 1961 die Berliner Mauer, die die Stadt bis 1989 brutal teilte und an der mindestens 140 Menschen ums Leben kamen. Weit weniger bekannt ist, dass der 13. August – zumindest aus katholischer Perspektive – auch für ein positives Ereignis der jüngeren Berliner Stadtgeschichte steht. Denn am 13. August 1930 wurde das Bistum Berlin errichtet, mit dem die deutsche Hauptstadt zum ersten Mal überhaupt zum Sitz eines katholischen Bischofs wurde.

In den Jahrhunderten zuvor war Berlin katholischerseits kaum der Rede wert gewesen. Zwar waren Brandenburg und Pommern bereits im 12. Jahrhundert durch zwei Missionsreisen von Bischof Otto von Bamberg christianisiert worden. Doch die in dieser Zeit gegründeten Bistümer Cammin und Lebus gingen ebenso wie die älteren Nachbardiözesen Brandenburg und Havelberg bereits im Zuge der Reformation wieder unter. Ab 1540 wurde die gesamte Region protestantisch und die katholischen Einrichtungen, Klöster und Kirchengemeinden zwischen Ostsee und Elbe hörten weitgehend auf zu existieren.

Jahrhundertelang keine fest diözesane Struktur

Es sollte 140 Jahre dauern, bis in Berlin wieder ein katholischer Gottesdienst gefeiert werden konnte. Und erst mit der Weihe der St.-Hedwigs-Kirche – der heutigen Kathedrale – an Allerheiligen 1773 kehrte die katholische Kirche auch sichtbar in die Region zurück. Gleichwohl fehlte nach dem Untergang der vorreformatorischen Bistümer seit dem 16. Jahrhundert in Brandenburg und Pommern eine feste diözesane Struktur. Rund 300 Jahre lang wurde die Region deshalb durch das Apostolische Vikariat des Nordens betreut, ehe sie 1821 in das Fürstbistum Breslau eingegliedert wurde.

Eugenio Pacelli,
Bild: ©KNA

Der Apostolische Nuntius Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII. (1939-1958), hatte maßgeblichen Anteil an der Errichtung des Bistums Berlin, weil er auf kirchlicher Seite die Verhandlungen für das Preußenkonkordat führte.

Da die Zahl der Katholiken in Berlin in der Folgezeit aufgrund der Industrialisierung und der dadurch ausgelösten Zuwanderung stark anstieg, kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Wunsch auf, ein eigenes Berliner Bistum zu gründen. Dieses Ansinnen wurde vom protestantischen preußischen Königshaus allerdings abgelehnt, weshalb erst die Abschaffung der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg den Katholiken neue Möglichkeiten eröffnete. Zupass kamen den Unterstützern eines eigenständigen Bistums die bald nach dem Krieg beginnenden Verhandlungen für ein Konkordat zwischen dem Freistaat Preußen und dem Heiligen Stuhl. Ein entsprechender Staatskirchenvertrag war nach allgemeiner Auffassung notwendig, weil nach dem Ende der Monarchie offensichtlich geworden war, dass das ohnehin nicht konfliktfreie Verhältnis von katholischer Kirche und preußischem Staat nicht mehr zeitgemäß geregelt war.

Das Preußenkonkordat macht Berlin zum Bistum

Das Preußenkonkordat wurde am 14. Juni 1929 unterzeichnet – für den Heiligen Stuhl unterschrieb der Apostolische Nuntius für das Deutschen Reich, Erzbischof Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII. (1939-1958) – und stellte die Beziehungen der Katholiken zum Freistaat Preußen auf eine neue rechtliche Grundlage. Zudem führte der Vertrag zu einer merklichen Veränderung der Bistumslandschaft auf preußischem Gebiet. Neben der Erhebung von Breslau und Paderborn zu Erzbistümern wurden auch zwei neue Bistümer errichtet: Aachen – und Berlin. In Artikel 2, Absatz 6 des Konkordats heißt es mit Blick auf Berlin: "Der bisher dem Bischof von Breslau mitunterstehende Delegaturbezirk Berlin wird selbständiges Bistum, dessen Bischof und Kathedralkapitel bei St. Hedwig in Berlin ihren Sitz nehmen." Der Wunsch der Berliner Katholiken nach einem eigenen Bistum wurde somit durch einen ziemlich nüchtern formulierten Satz Wirklichkeit.

Bild: ©dpa/Nelly Rau-Haering

Die Teilung Berlins durch die vom SED-Regime errichtete Mauer war auch für das Bistum Berlin eine große Herausforderung (im Bild die Grenzanlagen in der Liesenstraße, wo die Mauer direkt über den katholischen Domfriedhof führte, im Januar 1981).

Die tatsächliche Gründung des neuen Bistums Berlin erfolgte ein gutes Jahr später an eben jenem 13. August 1930 durch die Päpstliche Bulle "Pastoralis officii nostri". Die neue Diözese umfasste 153 Kirchengemeinden mit rund 530.000 Katholiken – davon allein 455.000 in der Stadt Berlin –, in der Seelsorge waren etwa 250 Diözesanpriester tätig. Erster Bischof wurde Christian Schreiber, der zuvor Oberhirte von Meißen gewesen war.

Es dauerte nicht lange, ehe das junge Bistum vor großen Herausforderungen stand. Denn während der NS-Zeit geriet auch die katholische Kirche in Berlin unter Druck, einzelne Geistliche – unter ihnen Dompropst Bernhard Lichtenberg und der Priester Max Josef Metzger – wurden vom Regime verfolgt und drangsaliert. Der seit 1935 amtierende Bischof Konrad Graf von Preysing beschrieb das antikatholische Klima in einem Hirtenbrief damals so: "Der gläubige Katholik steht in Deutschland unter Ausnahmerecht. Er muss Spott und Hohn, Unfreiheit und Bedrängnis für seinen Glauben dulden, ohne sich verteidigen zu können." Bis zu seinem Ende im Mai 1945 hinterließ das "Dritte Reich" wie überall in Deutschland und Europa auch im Bistum Berlin eine blutige Spur des Todes und mannigfacher Verwüstung.

Von der deutschen Teilung besonders betroffen

Noch während nach Kriegsende in den zerstörten Berliner Kirchen die Trümmer beseitigt wurden und ein erster zaghafter Wiederaufbau begann, erwuchs mit der deutsche Teilung bereits die nächste Herausforderung. Das Bistum Berlin war davon besonders betroffen, da sein Gebiet nach der Gründung der Bundesrepublik und der DDR in zwei verschiedenen Staaten lag; die Gebiete östlich von Oder und Neiße waren bereits 1945 faktisch an Polen gefallen, auch wenn sie erst 1972 durch die Apostolische Konstitution "Episcoporum Poloniae coetus" offiziell drei neu gegründeten polnischen Bistümern angegliedert wurden.

Bild: ©KNA-Bild

Bischof Alfred Bengsch während eines Besuches in Ost-Berlin im Oktober 1961.

Mit Blick auf die kirchliche Verwaltung und Fragen der Diplomatie galt die Berliner Diözese deshalb seit den 1950er Jahren als eine der schwierigsten der katholischen Kirche. Zwar war das Bistum kirchenrechtlich bis 1989 nie geteilt, seine Lage unmittelbar an der wohl heißesten Front des Kalten Kriegs war jedoch immer wieder mit Problemen verbunden. Die prägenden Bischofsgestalten dieser Zeit waren Kardinal Alfred Bengsch, der von 1961 bis 1979 amtierte und über die politischen Grenzen hinweg stets die Einheit des Bistums zu bewahren versuchte, sowie Kardinal Joachim Meisner, der von 1980 bis 1988 an der Spitze der Diözese stand.

Wachsende Verschuldung nach der Wiedervereinigung

Fundamental änderte sich die Situation schließlich durch den Fall der Berliner Mauer. Auf der Internetseite des Erzbistums steht über die Zeit nach dem 9. November 1989: "Für die Kirche von Berlin, die unter der politischen Spaltung besonders gelitten hat, war das Ende von Mauer und Stacheldraht Anlass zu großer Dankbarkeit und von Zuversicht getragener Aufbruchsstimmung." Allerdings zeigte sich sehr schnell, wie sehr sich Ost und West in der Zeit der politischen Teilung auseinanderentwickelt hatten. Die unverzüglich angestrebte Zusammenführung der Verwaltung erwies sich deshalb als schwieriger als zunächst erwartet. Dies trug – zusammen mit dem großen Sanierungsbedarf im Baubereich – zur Verschuldung des Bistums bei, die seit Mitte der 1990er Jahre bedrohlich anwuchs und erst durch eine deutliche Reduzierung der Pfarrgemeinden, Kirchenschließungen und -verkäufe sowie finanzielle Hilfen der anderen deutschen Bistümer abgebaut werden konnte.

Parallel zu diesen Schwierigkeiten erfuhr das Bistum aber auch eine kirchenrechtliche Aufwertung: Im Zuge der Neuordnung der deutschen Bistumslandschaft nach der Wiedervereinigung wurde es am 8. Juli 1994 durch die Apostolische Konstitution "Certiori christifidelium" zum Erzbistum erhoben. Seither bildet es gemeinsam mit den Suffraganbistümern Dresden-Meißen und Görlitz die Kirchenprovinz Berlin. Dafür, dass Berlin ein diözesaner Spätstarter war, hat das Hauptstadtbistum in nur 90 Jahren und trotz aller Schwierigkeiten also eine ziemlich erstaunliche Entwicklung hingelegt.

Von Steffen Zimmermann