Angriffe kurz vor möglicher Verlängerung von Abkommen mit China aufgedeckt

Bericht: Chinesische Hacker infiltrieren Vatikan-Computer

Veröffentlicht am 29.07.2020 um 12:10 Uhr – Lesedauer: 

New York/Vatikanstadt ‐ Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und China sind seit den 50er-Jahren sehr problematisch. Ein Abkommen zu Bischofsernennungen konnte die Lage vor zwei Jahren etwas entspannen. Doch nun sollen Hackerangriffe aus China auf den Vatikan erfolgt sein.

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Chinesische Hacker sollen in den vergangenen drei Monaten das Computernetzwerk des Vatikan infiltriert haben. Es handelt sich um das erste Mal, dass Cyberangriffe auf vatikanische Computer eindeutig als aus China stammend identifiziert werden konnten, berichtete die "New York Times" in ihrer Mittwochsausgabe. Die IT-Attacken wurden demnach von einer Firma in den USA nachvollzogen. Als Urheber gilt die chinesische Hackergruppe "RedDelta", die von der Staatsführung des Landes finanziert wird. 

Betroffen von den virtuellen Angriffen waren dem Zeitungsbericht zufolge sowohl Computer des Vatikan als auch der chinesischen Studienmission des Heiligen Stuhl, die in Hongkong angesiedelt ist. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine diplomatische Vertretung des Heiligen Stuhls, da dieser seit 1951 keine offiziellen Beziehungen zur Volksrepublik China unterhält.

Eine der Attacken, die Anfang Mai begonnen haben sollen, wurde mit einem gefälschten digitalen Schreiben aus dem Vatikan verübt. Die Hacker verfassten im Namen von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin ein angebliches Kondolenzschreiben zum Tod eines chinesischen Bischofs. Das täuschend echte Dokument wurde an die Studienmission geschickt und in der Datei versteckte Viren griffen bei der Öffnung des Schreibens den dortigen Computer an. Der Vatikan äußerte sich auf Anfrage der "New York Times" nicht zu den Cyberangriffen. Vor etwas mehr als einer Woche hatte es laut Berichten bereits Hackerattacken auf die Diözese Hongkong und das China-Zentrum in Sankt Augustin gegeben.

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Die Aufdeckung der Hackerangriffe erfolgt kurz vor den anstehenden Verhandlungen zwischen dem Vatikan und China über die Verlängerung der 2018 geschlossenen und zunächst für zwei Jahre geltenden Vereinbarung über die Ernennung von Bischöfen. Ob das Abkommen verlängert wird, ist noch unklar. Mitglieder der Kurie hatten sich in den vergangenen Monaten jedoch dafür ausgesprochen. Die vatikanische Studienmission in Hongkong soll eine entscheidende Rolle für das Zustandekommen des Abkommens gespielt haben. 

Menschenrechtler ziehen eine kritische Bilanz des umstrittenen Vertrages. "Viele Ziele des Abkommens sind nicht erreicht worden"sagte Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Die angestrebte Ernennung von neuen Bischöfen für Dutzende unbesetzte Posten stockt noch immer. Das Abkommen hat nicht dazu beigetragen, dass Behörden die Religionsfreiheit stärker respektieren", so der Direktor der Einrichtung am Mittwoch. "Menschenrechtsverletzungen gegenüber Amtsträgern und Gläubigen haben zugenommen." Der Heilige Stuhl spreche diese Missstände gegenüber den Verantwortlichen nur sehr diskret an. (rom)

29.07.2020, 14.45 Uhr: ergänzt um Informationen zu vorherigen Hackerangriffen auf kirchliche Einrichtungen. /rom