Warum Mutter Mechthild kein Staatsfeind ist
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Eigentlich hätte Mutter Mechthild Thürmer morgen vor Gericht erscheinen müssen. Als Angeklagte. Der Äbtissin des Klosters Maria Frieden in Kirchschletten bei Bamberg wird "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" zur Last gelegt. Die Abtei hatte im Herbst 2018 einer Eritreerin Kirchenasyl gewährt. Widerrechtlich, befand die Staatsanwaltschaft und zog vor Gericht. Der erste Verhandlungstermin wurde abgesagt. Nicht, weil es sich die bayerische Justiz inzwischen anders überlegt hat, sondern weil gegen die Ordensfrau noch in einem zweiten Fall von Kirchenasyl ermittelt wird. Diesmal handelt es sich um eine schwer traumatisierte Nigerianerin, die nach Italien zurückgeschickt werden sollte. Auch hier sah das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) keinen Grund, von der sogenannten Dublin-Regel abzuweichen, also dem Grundsatz, dass Flüchtlinge immer in dem Land der EU ihren Asylantrag stellen müssen, in dem sie zuerst gelandet sind.
Wer die Umstände kennt, unter denen junge Frauen aus Nigeria in Italien leben müssen, weiß, dass diese Regel vor allem Menschenhändlern und Zuhältern in die Karten spielt. Solche Erwägungen spielen bei den Entscheidungen deutscher Behörden gar keine oder kaum eine Rolle. Doch für diese Fälle gibt es das Kirchenasyl, für die blinden Flecken in Justiz und Verwaltung. Es geht ausschließlich um Härtefälle, wenn Familien zerrissen oder Menschen in unzumutbare Umstände geschickt werden sollen. Iranern, die zum Christentum konvertiert sind, droht der Tod. Kirchenasyl ist kein Massenphänomen.
Die Gemeinden, die Orden gehen verantwortungsvoll damit um, erfüllen die Auflagen, auf die sich Staat und Kirche 2015 gemeinsam verständigt hatten. Kein ausreisepflichtiger Flüchtling wird versteckt, die Behörden erhalten umfangreiche Dossiers. Eine Nonne wie Mutter Mechthild ist kein Staatsfeind. Und doch hat es den Anschein, als gehe es den Behörden ums Prinzip und nicht um den Einzelfall. Man will die eigenen Entscheidungen nicht in Frage stellen lassen, auch nicht von einer Äbtissin.