Bischof Wiesemann: Kein Sparen nach Rasenmäher-Methode mehr
Seit 2007 ist Karl-Heinz Wiesemann Bischof von Speyer. Im Interview spricht er über die Folgen der Pandemie für seine Kirche, neue Sichtweisen und ein ganz persönliches Ereignis.
Frage: Herr Bischof Wiesemann, ist Corona für Sie bislang die größte Herausforderung im Bischofsamt?
Wiesemann: Ja. Ich glaube, dass wir die langfristigen Folgen der Pandemie noch kaum erahnen können. Insofern: Covid 19 bedeutet für die Kirchen wie für die ganze Gesellschaft einen historischen Einschnitt. Ein einfaches Zurück zur vorherigen Normalität wird es nach der Krise nicht geben.
Frage: Haben Sie angesichts sich abzeichnender geringerer Einnahmen bei den Kirchensteuern Sorgen wegen der bevorstehenden Spardiskussionen und Kürzungsdebatten?
Wiesemann: Natürlich. Wir hatten in der Vergangenheit im Bistum große finanzielle Herausforderungen zu meistern und waren auf einem guten Weg der Konsolidierung. Aber uns trifft Corona jetzt hart, weil wir im Unterschied zu manchen anderen Bistümern oder Landeskirchen keine komfortablen Rücklagen haben bilden können. Deshalb kommen nicht ganz einfache Diskussionen auf uns zu.
Schon jetzt ist klar: Sparen nach der Rasenmäher-Methode funktioniert nicht mehr. Wir werden uns in einer innerlichen Debatte auf Grundlegendes besinnen und sicherlich auch von manchem trennen müssen. Dabei geht es um eine Neubestimmung unseres konkreten Auftrags für die Menschen unserer Zeit. Was hat im Hinblick auf die Sendung der Kirche heute Vorrang und wovon können wir uns, wenn auch schweren Herzens, verabschieden?
Frage: Sehen Sie in der Krise auch positive Aspekte?
Wiesemann: Ja, denn die Krise stellt uns unausweichlich vor die genannten Fragen, die uns ja schon länger beschäftigen. Die Krise stellt auch die grundlegenden religiösen Fragen des Menschen neu und auf verschärfte Weise. Das globalisierte Erschrecken über die Verletzbarkeit des Menschen in all seinen Bezügen konfrontiert uns radikal mit der Frage nach dem Grundvertrauen in das Leben und in Gott als seinem schöpferischen Urgrund.
Schließlich eröffnet die Krise gerade wegen ihres globalen Ausmaßes die Chance, Visionen einer gerechteren und nachhaltigeren und menschlichen Weltordnung zu entwickeln und umzusetzen. All das fordert uns heraus, neu über die visionäre Kraft des Evangeliums nachzudenken und sie in unsere Welt miteinzubringen.
„Was hat im Hinblick auf die Sendung der Kirche heute Vorrang und wovon können wir uns, wenn auch schweren Herzens, verabschieden?“
Frage: Was bedeutet die Pandemie für den Reformprozess der katholischen Kirche, den Synodalen Weg?
Wiesemann: Die Fragen, die sich der Synodale Weg stellt, sind durch die Krise nicht weniger aktuell, im Gegenteil. Die offene Diskussion der Fragen nach der Macht in der Kirche, nach einer dem Evangelium entsprechenden Lebensform ihrer Diener, nach einer lebensdienlichen Moral und nach der Geschlechtergerechtigkeit und der Rolle der Frau bilden eine wesentliche Grundlage dafür, dass die Kirche auf glaubwürdige Weise ihren unersetzlichen Beitrag an der Neugestaltung unserer Welt in der Kraft des Evangeliums liefern kann. Ich persönlich werde mich weiter im Forum Macht und Gewaltenteilung engagieren.
Frage: Im Bistum Speyer steht aktuell ein Visionsprozess an.
Wiesemann: Das ist richtig: Wir haben im Herbst des vergangenen Jahres genau auf diesem Hintergrund einen Visionsprozess mit folgenden Leitfragen gestartet: Wie kann die Kirche zum Segen für die Menschen werden? Wo sind Segensorte, Orte, an denen die Menschen die Gegenwart und Nähe Gottes erfahren können? Uns ist vom Evangelium her als erstes die Sorge für das Reich Gottes anvertraut. Wie muss sich die Kirche ändern, damit durch sie das Reich Gottes für die Menschen von heute erfahrbarer wird?
Auch wenn Corona unseren ursprünglichen Plan großer Visionstreffen vereitelt hat, wollen wir doch auf digitale Weise die Vision der Gläubigen sammeln und für die Zukunft des Bistums fruchtbar werden lassen. Das gilt gerade auch im Hinblick auf unsere Entscheidungen, wo wir in Zukunft mehr investieren werden und wo wir künftig weniger tun wollen.
Frage: Ein ökumenischer Wechsel zeichnet sich ab. Für den pfälzischen Kirchenpräsidenten Christian Schad wird ein Nachfolger gesucht.
Wiesemann: Es gab und gibt ein sehr gutes freundschaftliches Miteinander - auch jetzt in der Krise. Mit Blick auf die Sparzwänge auf beiden Seiten schauen wir gerade, wie sich Bistum und Landeskirche noch stärker verzahnen lassen. Wo gibt es Synergien, damit die Christen der Pfalz und im Saarpfalzkreis stärker präsent bleiben können? Die Hauptabteilungen unseres Ordinariates tauschen sich gerade mit den entsprechenden Abteilungen in der evangelischen Landeskirche sehr konkret über diese Frage aus.
Ich bin sicher, dass die Ökumene auch nach dem Ende der Amtszeit von Christian Schad in der Pfalz gut vorangeht. Schließlich haben er und ich keine einsamen Entscheidungen getroffen. Sie wurden von den kirchenleitenden Gremien in beiden Kirchen immer mitgetragen.
Frage: Sie werden am 1. August 60. Wie feiern Sie?
Wiesemann: Den Geburtstag selber werde ich im Kreis meiner Familie, mit meinen Geschwistern, ihren Ehepartnern, deren Kindern und Enkelkindern, feiern. Beim Patronatsfest unseres Doms am Hochfest Maria Himmelfahrt am 15. August möchte ich für alle, die mit mir - natürlich in gebührendem Abstand - auf den Geburtstag anstoßen wollen, ein Glas Sekt oder Orangensaft ausgeben. Ich hoffe, dass dies trotz der Corona-Krise möglich sein wird.