EKD-Chef bringt zugleich Kirchensteuerreform ins Gespräch

"Unsinn": Bedford-Strohm verteidigt Kirche gegen Kritik in Pandemie

Veröffentlicht am 03.08.2020 um 09:37 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ "Die Pfarrer sollen abgetaucht sein? So ein Unsinn. Die haben sich abgerackert...": Der EKD-Ratsvorsitzende verteidigt seine Kirche gegen Kritik an ihrem Verhalten in der Corona-Krise. Zudem spricht er über eine Reform der Kirchensteuer.

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Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat seine Kirche erneut gegen Kritik an ihrem Verhalten in der Corona-Krise verteidigt. "Die Pfarrer sollen abgetaucht sein? So ein Unsinn. Die haben sich abgerackert, ebenso wie die vielen Tausenden Bediensteten in der Diakonie", sagte der bayerische Landesbischof der "Welt" (Montag). 80 Prozent der Gemeinden hätten digitale Angebote "aus dem Nichts gestampft", wie eine empirische Studie ergeben habe. "Wir haben auf diese Weise mit unseren Gottesdiensten und Andachten viele Menschen erreicht, die wir vorher nicht erreicht haben", sagte Bedford-Strohm.

Zudem brachte der Ratsvorsitzende eine Absenkung der Kirchensteuer für bestimmte Gruppen ins Gespräch. "Wir diskutieren darüber, ob es vernünftig ist, für die Gruppe der Berufseinsteiger mit der Kirchensteuer eventuell noch zu warten oder sie zu reduzieren", sagte er. Auch werde darüber diskutiert, "generell flexibler zu sein, bei der Kirchensteuer Rücksicht auf bestimmte Lebenssituationen zu nehmen, die das Kirchenrecht bisher nicht vorsieht, die menschlich aber nachvollziehbar sind".

Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben 2019 so viel Kirchensteuer erhalten wie nie. Trotz sinkender Mitgliederzahlen erreichten diese Einnahmen im Vorjahr mit insgesamt rund 12,7 Milliarden Euro ein Rekordhoch. Davon erhielt die katholische Kirche 6,76 Milliarden und die evangelische 5,95 Milliarden Euro. Fachleute machten dafür vor allem die gute Konjunktur verantwortlich. Für das laufende Jahr rechnen beide Kirchen mit starken Einbrüchen aufgrund der durch die Corona-Pandemie verursachten Wirtschaftskrise.

In Deutschland ist die Kirchensteuer eine gesetzlich festgelegte Abgabe der Kirchenmitglieder. Ihre Höhe orientiert sich am Lohn oder Einkommen. Die Finanzämter ziehen das Geld ein und geben es an die Kirchen weiter. Dafür erhält der Staat etwa drei Prozent des Steuereinkommens. Die Kirchensteuer ist die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle der Kirchen. Die Kirchen finanzieren aus den Einnahmen vor allem die laufenden Kosten für ihr Personal in Seelsorge, Schulen und sozialen Einrichtungen. Beide Kirchen verloren 2019 so viele Mitglieder wie nie zuvor.

Seenotrettung als Grund für Kircheneintritte

Weiter berichtete Bedford-Strohm, dass der evangelischen Kirche wegen des Einsatzes für die Seenotrettung von Flüchtlingen neben Kritik auch "eine Welle der Sympathie" entgegengeschlagen sei. "In Briefen, Mails und Facebook-Kommentaren sprechen Menschen ihre Dankbarkeit aus, betonen, noch nie so stolz auf ihre Kirche gewesen zu sein", sagte der Landesbischof. Für Etliche sei das Engagement im Mittelmeer sogar ein Grund, einzutreten oder aber doch nicht auszutreten, weil die Kirche ihrer Ansicht nach endlich etwas tue.

In Kürze soll das Rettungsschiff "Sea-Watch 4" in See stechen, für das die evangelische Kirche Spenden gesammelt hatte. Mit Blick auf Kritik daran sagte der Ratsvorsitzende: "Es gibt immer auch Menschen, mit denen kein Austausch möglich ist, weil sie eigentlich nur Hass abladen wollen. Aber grundsätzlich gehe ich natürlich in den Dialog. Mit vielen Kritikern der Seenotrettung kommt es zu guten Gesprächen." Bedford-Strohm betonte, die Beteiligung an der Seenotrettung sei "nichts anderes als Teil eines breiten kirchlichen diakonischen Handelns, das den Menschen zeigt, dass wir nicht nur von der Liebe Christi reden, sondern auch nach ihr handeln". Die Kirche setze sich jeden Tag für die Schwachen ein. (tmg/KNA/epd)