"Fünf Orte – ein Weg": Das waren die Regionentreffen des Synodalen Wegs
Unter dem Leitwort "Fünf Orte – ein Weg" haben in fünf deutschen Städten am Freitag die Regionenkonferenzen des Synodalen Wegs stattgefunden. Da die Vorschriften während der Corona-Pandemie eine Zusammenkunft aller Delegierten zur zweiten Synodalversammlung unmöglich gemacht hatten, war das Präsidium des kirchlichen Reformprozesses auf unterschiedliche Standorte ausgewichen. Was eigentlich eine Notlösung war, entpuppte sich vor Ort als Erfolgsmodell, das engagierte Diskussionen ermöglichte, wie zwei Reporter von katholisch.de in Berlin und Frankfurt am Main feststellen konnten.
Regionenkonferenz in Berlin
Wäre es den Teilnehmern bei der Regionenkonferenz in Berlin zwischendurch langweilig geworden, sie hätten sich einfach nur umdrehen müssen. Vor den großen Panoramafenstern des Tagungshotels lag den rund 50 Frauen und Männern vorwiegend aus den ostdeutschen Bistümern nämlich eine sehenswerte Postkartenansicht der Bundeshauptstadt zu Füßen – mit Fernsehturm, Rotem Rathaus, Stadtschloss und Berliner Dom. Doch an touristischer Ablenkung gab es bei den Synodalen kein Interesse – im Gegenteil.
Von Anfang an war im Tagungsraum eine konzentrierte und engagierte Atmosphäre zu spüren. Mit großer Lust und hoher Ernsthaftigkeit stiegen die anwesenden Mitglieder des Synodalen Wegs pünktlich um 10 Uhr in die Beratungen ein. Wie an den vier anderen Konferenzorten auch ging es dabei am Vormittag zunächst um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kirche und den Reformprozess selbst. Corona, so eine zentrale Erkenntnis, habe die Glaubwürdigkeitskrise der Kirche weiter verschärft. "Corona hat Entwicklungen, die ohnehin schon im Gang war, erheblich beschleunigt. Krisen sind immer Beschleuniger von Entwicklungen, das erleben wir jetzt hautnah", sagte stellvertretend für alle Teilnehmer der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, der in Berlin gemeinsam mit der Journalismus-Professorin Claudia Nothelle die Sitzungsleitung innehatte.
Wie hat die Corona-Krise die Kirche verändert?
Viele Wortmeldungen kreisten bei der Debatte um zentrale Stichworte der vergangenen Monate: Wie hat sich die Kirche während der Hochphase der Pandemie im Frühjahr präsentiert? Wie sind Quantität und Qualität der digitalen Angebote – insbesondere der zahlreich angebotenen Gottesdienst-Livestreams – rückblickend zu bewerten? Welche aus der Not der Pandemie heraus geborenen Ideen und Initiativen sind es wert, dauerhaft erhalten zu werden?
Die Antworten und Erkenntnisse zu diesen und anderen Fragen fielen naturgemäß sehr unterschiedlich aus – jederzeit spürbar war aber bei allen Teilnehmern die Dankbarkeit darüber, die eigenen Fragen, Ideen und Unsicherheiten nach den Monaten der strikten Kontaktbeschränkungen endlich wieder gemeinsam und von Angesicht zu Angesicht mit Gleichgesinnten besprechen zu können. Das aus der Not heraus initiierte Format der Regionenkonferenzen – in Berlin funktionierte es am Freitag gut.
Länger diskutiert wurde am Vormittag auch über die Rolle der Priester während der Hochphase der Pandemie. Berlins Erzbischof Heiner Koch betonte etwa, dass er beim Umgang seiner Priester mit Corona Licht und Schatten erlebt habe. Viele Geistliche hätten im Angesicht der Krise eine "enorme Kreativität" entwickelt, andere dagegen hätten sich eher zurückgezogen. Als problematisch bezeichnete Koch den weitgehenden Abbruch des Kontakts mit der Außenwelt; durch Corona sei man "sehr binnenkirchlich unterwegs gewesen".
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Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt betonte in seiner Wortmeldung dagegen einen positiven Effekt der Pandemie. Während Priester sonst fast keine Zeit für Hausbesuche hätten, pflegten viele Geistliche in der Phase des "Lockdowns" intensive Telefonkontakte zu den Gläubigen: "Wann hatten Priester vor der Pandemie Zeit, mal 30 Minuten oder länger ganz in Ruhe mit Gläubigen zu sprechen? Das war gut, da ist was gewachsen." Er appellierte in diesem Zusammenhang, die Möglichkeiten der Digitalisierung noch stärker als Brücken zu den Menschen zu nutzen, um auf diese Weise Kontakt zu halten. "Ich selbst habe in Sachen Digitalisierung in den vergangenen Monaten viel gelernt", so Ipolt.
Der emeritierte Erfurter Theologieprofessor Eberhard Tiefensee legte allerdings einen Finger in die Wunde, als er im Anschluss auf die Fragen hinwies, die die Corona-Pandemie mit Blick auf die Sakramentenspendung offengelegt habe: "Beichte per Telefon geht nicht, Taufe, Firmung und Krankensalbung ebenso wenig. Wir müssen als Kirche dringend darüber nachdenken, wie wir damit umgehen, denn bislang sind wir auf solch einen Fall nicht vorbereitet." Kirche könne nicht nur digital funktionieren.
Karin Kortmann, die das vierköpfige Präsidium des Synodalen Wegs in Berlin vertrat, kritisierte, dass es die Kirche während der Hochphase der Pandemie nicht geschafft habe, in den Krankenhäusern präsent zu sein. "Wir entsenden Militärseelsorger in Krisengebiete, aber wir schaffen es nicht, Menschen hier in Deutschland Seelsorge anzubieten", sagte sie wörtlich. Gleichwohl habe die Solidarität "in kleinen, vor allem von Laien getragenen Zellen" gut funktioniert.
Kortmann: "Die Frauenfrage ist existenziell für die Kirche"
Nach der Mittagspause standen schließlich die Hearings zu zwei Arbeitstexten aus den Syndalforen auf der Tagesordnung. Bei der Debatte über den Text aus dem Forum "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" forderten zahlreiche Teilnehmer in Berlin eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an kirchlichen Ämtern. Die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop sagte: "Manche sagen, die Frau ist der Ernstfall des Laien. Aber: Die Frauen sind auch der Ernstfall in der Amtsfrage." Zum Arbeitstext des Forums merkte die Theologin kritisch an, dass dessen Sprache die "Begründungslast" bei den Frauen belasse: "Sie müssen sich erklären, warum sie auch für Leitungsfunktion geeignet sind. Die Begründungslast muss aber bei der Institution liegen, wenn sie Gerechtigkeitsfragen nicht berücksichtigt und Frauen nicht an die Spitze kommen lässt." Knop sagte: "Wir Frauen sind doch nicht irgendeine förderungswürdige Gruppe, die Inklusion braucht. Dass Frauen leiten können, wissen wir doch inzwischen alle. Das sehen wir nicht nur bei Kanzlerin Merkel."
Karin Kortmann, die auch Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ist, sagte: "Die Frauenfrage ist die existenzielle für die Kirche. Wenn wir diese Frage nicht substanziell geklärt wird, dann werden meiner Einschätzung nach noch viel mehr Menschen die Kirche verlassen." In dieser Frage müsse man auch in Rom mehr Druck machen. Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr zeigte sich diesbezüglich zweifelnd: "Als Bischof muss ich immer auch die Einheit der Weltkirche im Blick haben. Und da muss man einfach feststellen, dass es viele Länder gibt, in denen das, was wir hier in Deutschland diskutieren, unvorstellbar ist." Die deutsche Kirche werde vielerorts kritisch gesehen, "und deshalb bin ich auch skeptisch, ob wir da weltkirchlich wirklich etwas voranbringen können."
Der Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun, appellierte an die Delegierten: "Wir müssen in dieser Frage über neue theologische Argumente und Perspektiven nachdenken. Ich glaube, dass die Kategorie Geschlecht in der Kirche völlig überbewertet wird." Der Moraltheologe Andreas Lob-Hüdepohl mahnte: "Wir sollten nicht nur über die Möglichkeiten innerhalb des bestehenden Kirchenrechts nachdenken, sondern auch darüber, wo das Kirchenrecht in diesen Fragen weiterentwickelt werden muss." Der Hildesheimer Weihbischof Heinz-Günter Bongartz erklärte: "Ich glaube, dass mehr Menschen predigen können als nur die, die eine Weihe haben. Was wir aus dem Evangelium heraus den Menschen zu sagen haben, muss alltagstauglich werden. Und diese Kompetenz haben nicht nur geweihte Männer." (stz)
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Regionenkonferenz in Frankfurt am Main
Es ist der gleiche Raum, nur luftiger bestuhlt: Die Frankfurter Regionenkonferenz trifft sich genau wie die Synodalversammlung im Dominikanerkloster in der Nähe der bekannten Einkaufsstraße Zeil. Auf den ersten Blick mag der optische Unterschied vor Ort marginal sein – für die Stimmung macht er aber einiges aus. Schließlich ist das Treffen eines von vier weiteren. 50 Synodale haben sich hier zusammengefunden. Wie an allen Standorten war der Rücklauf groß: 94 Prozent aller Teilnehmer sind gekommen – nur wer etwa zu Risikogruppen zählt, hat auf ein Kommen verzichtet.
Schon bevor es los geht, demonstrieren draußen die Aktivistinnen von "Maria 2.0", verteilen Flugblätter und machen ihren Standpunkt klar. Es herrschen klare Worte: Auf die Wandlung lege die Kirche großen Wert, "aber uns Frauen wandeln sie nicht", sagt eine Teilnehmerin. Dazu Plakate mit "Ich kann Priesterin" und "Schweigen war gestern, Schwestern".
Innen ist die Stimmung deutlich gesetzter: Einer der Sitzungsleiter, der Mainzer Weihbischof Udo Bentz, ist froh, dass nicht an einer Geschäftsordnung entlang moderiert werden muss, sondern der Rahmen etwas lockerer gefasst ist. Ein Thema ist aber gleich zu Anfang beherrschend: Schon in seiner Begrüßung betont der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, dass in seinem Gespräch mit Papst Franziskus im Juni klar geworden sei, dass das Coronavirus selbstverständlich ein Teil der Diskussionen sein solle.
Wie mit Corona-Leugnern umgehen?
Die sich entspinnende Diskussion ist vielfältig: Wie kann die Kirche mit Corona-Leugnern umgehen? Wie kann sie ihren (auch diakonischen) Auftrag für die Gesellschaft erfüllen? Vor allem angesichts dessen, dass das Virus die Ungerechtigkeit und Ungleichheit im Land klar gemacht habe. Die Wortbeiträge oszillieren zwischen ganz persönlichen Erfahrungen wie neuen Formen für die Glaubensfeier in Familien und per Internet verbundener Gemeinschaften oder entstehender Telefonketten. Auf der anderen Seite stehen generelle Beobachtungen wie die Kardinal Rainer Maria Woelkis, im Impulspapier komme das Wort "Gott" nur einmal vor. Er wie auch der Mainzer Bischof Kohlgraf betonen, dass in der Pandemie nicht Machtverhältnisse klar wurden, sondern das Gefühl der Ohnmacht.
Der Zusammenhalt der Gesellschaft spielt eine große Rolle. Loben die einen das diakonische Engagement der Kirche, wo kommunale Einrichtungen geschlossen waren und die Chance für viele neue Formate und Gemeinschaftsformen; bemängeln andere das mangelnde Zusammengehen der verschiedenen Bistümer und zwischen den Konfessionen.
Ein weiterer zentraler Punkt ist der Bezug zu Gott in der Pandemie und damit verbunden die Glaubwürdigkeit der Kirche. Es wird mehrmals angemahnt, dass die Kirche in einer Zeit, in der die Menschen existenzielle Fragen nach Tod und Vergänglichkeit haben, nicht immer richtig aufgenommen werden: "Was sind unsere existenziellen Antworten auf diese existenziellen Fragen der Menschen?", fragt etwa der Bonner Stadtdechant Picken. Suchende stießen auf eine Kirche, die sich mit ganz anderen Fragen beschäftige. Dass die Kirche in gewisser Weise sprachlos gewesen sei, bemerken mehrere Redner. Sie müsse aber Antworten finden in einem von bewusster Distanz geprägten Umfeld. Viele sagen, dass durch die Pandemie die Kirche auf ihre Grundvollzüge fokussiert wurde, wie die Gemeinschaft und die Nächstenfürsorge. Für die ehemalige BDKJ-Bundesvorsitzende Katharina Norpoth ist es wichtig, die Themen des Synodalen Weges nicht aus den Augen zu verlieren: "Corona darf diese Fragen nicht überlagern", sagt sie. Sie findet es gut, dass über die Pandemie gesprochen wurde, legte den Fokus aber auf die inhaltliche Arbeit des Reformprozesses.
In den Beratungen am Nachmittag geht es zunächst um den Text des Forums "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche". Die Diskussion über das 18-seitige Dokument kommt zunächst etwas schleppend voran, auch wegen dessen Länge. Es wird die Prozesshaftigkeit des Synodalen Wegs merkbar: Etwa zu einer verpflichtenden Textform gibt es noch keine Überlegungen.
Inhaltlich geht es unter anderem um die biblische Grundlegung des Textes, die der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer kritisiert hatte. Es werden die ganz unterschiedlichen Blicke auf die biblischen Überlieferungen deutlich: Die einen sehen die Apostel als bewusste Wahl Jesu, andere finden auch Belege für Relativierungen dieser Intention. Der Kölner Weihbischof Puff gibt zu: Es besteht eine Art "Loch" zwischen Ostern und Entwicklung der Ämter der Kirche, da entstehe ein Gestaltungsspielraum, der genutzt werden könnte. Allerdings könnten auch 1.700 Jahre Kirchengeschichte nicht über Bord geworfen werden könne, so Puff. "Wenn der Heilige Geist wirkt, wirkt er auch in der Tradition." Gerber fasst zwei Interpretationsweisen zusammen: "Verstehen wir Geschichte als einen Raum, in den das Evangelium übersetzt werden muss oder steckt in Geschichte und Gegenwart die Botschaft der Kirche und entsteht erst darin die Vision unseres Weges?"
Lehramt, Bibel, Tradition: Diese drei Quellen für die Kirche kommen auf den Tisch. Es wird von vielen Seiten angeregt, die Argumentation möglicher Reformen deutlich zu erweitern, um möglichen Erweiterungen des Kirchenrechts auch die Chance auf eine Wahrnehmung (und damit auch Umsetzung) zu verschaffen.
Große Unterschiede im Glaubensbild
Ein ähnlich geteiltes Bild zeigt sich später bei der Diskussion über den Entwurf des Forums zu "Leben in gelingenden Beziehungen". Manchen ist der Text zu gewollt ausgewogen, anderen zu fern der kirchlichen Tradition. Form wie Inhalt werden von unterschiedlichen Seiten gelobt wie kritisiert.
In den Gesprächen zu den Papieren zeigen sich oft große Unterschiede im Glaubensbild: So ist für manche die Frage nach dem Predigtdienst eine Glaubens-, für andere eine Gestaltungsfrage. Diese und viele weitere Differenzen werden klar ausgesprochen, es herrscht dabei aber gegenseitiger Respekt. Bei allen spürbaren verschiedenen Sichtweisen, Perspektiven und Schwerpunkten lässt sich eine entspannte, aufmerksame Atmosphäre feststellen. Die Redner nehmen kritisch wie würdigend aufeinander Bezug, die Beiträge bleiben konstruktiv und um Austausch bemüht. Direkte Angriffe untereinander bleiben aus. Wichtig für die Diskussion, findet der ehemalige ZdK-Generalsekretär Stefan Vesper: "Es kommt auf den Ton an."
Der bleibt aber zugewandt. So ist etwa Irmentraud Kobusch vom "Netzwerk Diakonat der Frau" über den Verlauf der Diskussionen angenehm überrascht. "Er ist konstruktiv und positiv", sagt sie, auch im Hinblick auf unterschiedliche theologische Herangehensweisen. Sie versteht die Stimmung als "grundlegende Bestärkung" des Synodalen Weges und der Arbeit der Foren. Über das gegenseitige Verständnis freut sich auch der Fuldaer Bischof Michael Gerber, da "hier Menschen mit ganz unterschiedlichem kirchlichen Hintergrund miteinander ins Gespräch kommen. Das ist in sich schon eine ganz wichtige Spur für die Zukunft der Kirche in Deutschland". (cph)