Nur tanzend können die Fronten beim Synodalen Weg überwunden werden
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"Der Kongress tanzt, aber er bewegt sich nicht" – diese Sentenz prägte weiland Charles de Ligne. Der österreichische Fürst und Diplomat wird das Ende des von ihm so als ineffizient charakterisierten Wiener Kongresses, der nach der Niederlage Napoleon Bonapartes schlussendlich eine Neuordnung Europas herbeiführt, nicht mehr erleben. Da wurde gemauschelt und geschachert, was das Zeug hielt – um dann doch zukunftsweisende Beschlüsse zu fassen. Allem Streit und Intrigen zum Trotz wurde fast nebenbei ein ganzer Kontinent neu geordnet.
Das alles geschah vor 205 Jahren. Heute gibt es keine tanzenden Kongresse mehr; dafür tagen Wege. Der Synodale Weg hat – bedingt durch die Corona-Pandemie – jetzt an fünf Orten gesessen, eine getrennte Zusammenkunft der 230 Delegierten. Das ist schon fast symbolisch: Haben die Delegierten überhaupt ein gemeinsames Ziel? Und wenn ja, wie könnte man es beschreiben? Man muss auf der Homepage des Synodalen Wegs schon ziemlich tief klicken, um auf eine vage Zielbeschreibung zu kommen. Dort wird als Anlass des Synodalen Wegs die aus der MHG-Studie erwachsene Erkenntnis angegeben, dass "die Kirche in Deutschland (...) einen Weg der Umkehr und Erneuerung" brauche.
"Umkehr" ist jetzt ohnehin total in, wo selbst die neueste Instruktion aus dem Vatikan ja zur "pastoralen Umkehr der Pfarreien" mahnt. Wohin diese Umkehr des Synodalen Wegs aber führen soll, ist kaum klar, zumal die Parteiungen unter den Delegierten, die schon auf der ersten Vollversammlung sichtbar wurden, kaum in näheren Kontakt gekommen sein dürften. Im Gegenteil: Mancher Teilnehmer hat sich schon aus Foren verabschiedet, bevor es ans Eingemachte gehen konnte. Die Fronten stehen im "Weg"!
Vielleicht liegt das Grundproblem schon im Format. "Wege", bei denen man sitzt, kommen meist nicht voran. Man sollte sich vielleicht an "tanzenden Kongressen" orientieren. Das Tanzen bedingt ja eine physische und darüber hinaus auch eine kommunikative Annährung. Das wäre doch vielleicht eine Alternative zum üblichen Sitzungsformat – ein getanzter Weg. Sicher, mag die eine oder der andere, jetzt einwenden: Tanzen in Corona-Zeiten? Warum nicht! Es muss ja nicht unbedingt Tango sein. Auch auf physische Distanz kann man ums Leben tanzen – und ganz nebenbei platzt so vielleicht mancher Knoten, der sonst nur festgesessen wird.
So könnte man selbst in Zeiten, in denen so viel von Umkehr die Rede ist, zu einer zentralen Erkenntnis aus dem Film "Alexis Sorbas" gelangen. Da wird eine Seilbahn gebaut. Als die am Ende zusammenbricht, spricht Sorbas zu seinem Chef: "Hey Boss, hast Du jemals erlebt, dass etwas so bildschön zusammenkracht?" – und dann tanzen beide endlich ebenso vereint wie befreit den Sirtaki. Schöner scheitern, toller tanzen. Die große und leider viel zu früh verstorbene Choreografin und Direktorin des nach ihr benannten Wuppertaler Tanztheaters Pina Bausch bringt es 2007 in einer Dankesrede in Kyoto auf den Punkt, als sie ausruft: "Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren." Und ganz nebenbei entsteht vielleicht etwas wirklich Neues und Zukunftsweisendes.