Wer soll in der Eucharistiefeier predigen dürfen?
Eine Rebellion sollte es nicht sein, aber zumindest ein kleiner Anstoß: Im Bistum Osnabrück haben Mitte September in einigen Gemeinden Frauen in Gottesdiensten gepredigt – auch bei Eucharistiefeiern. Das Ganze geschah im Rahmen einer Aktionswoche unter dem Titel "Frauen verkünden das Wort". Ähnliche Initiativen, meist von Frauenverbänden ins Leben gerufen, gab es in der Vergangenheit auch schon andernorts. Doch in Osnabrück bekam das Ganze eine neue Qualität: Bischof Franz-Josef Bode selbst schrieb die Gemeinden an und lud sie ein, mitzumachen.
"Wir wollten mit dieser Aktionswoche Frauen sichtbar in den Dienst der Verkündigung stellen", sagt Inga Schmitt, die im Bistum Osnabrück für Glaubenskommunikation zuständig ist. Dass Frauen auch in Eucharistiefeiern predigen, wurde "einkalkuliert" – und somit ein Zeichen in einer Debatte gesetzt, die seit Jahren geführt wird, in Zeiten von Reformdebatten wie dem Synodalen Weg aber wieder neu auf dem Tisch liegt: die Frage nach der "Laienpredigt".
Kein pauschales Predigtverbot
Pauschal sind Laien nicht von der Predigt ausgeschlossen. Nichtgeweihte Gläubige dürfen etwa in Wort-Gottes-Feiern predigen und sogar in Eucharistiefeiern: Sie dürfen etwa eine Statio zu Beginn oder allein oder im Dialog mit dem Priester ein Glaubenszeugnis geben. Doch die sogenannte Homilie, also die Predigt, die in der Eucharistiefeier nach dem Evangelium gehalten wird, ist Sache der geweihten Amtsträger. Ausdrücklich festgeschrieben ist dies im Kirchlichen Gesetzbuch: "Unter den Formen der Predigt ragt die Homilie hervor, die Teil der Liturgie selbst ist und dem Priester oder dem Diakon vorbehalten wird" (c. 767 §1). Mehrere vatikanische Stellungnahmen der vergangenen Jahrzehnte schärften diese Regel immer weiter ein.
Diese Koppelung der Homilie an die Weihe wird in erster Linie amtstheologisch begründet: Der Priester repräsentiert Christus als das eine und einzige Haupt der Kirche, weshalb ihm die Aufgabe des Leitens und des Verkündens zukommt. In der Eucharistiefeier als dem liturgischen Selbstvollzug der Kirche fällt beides zusammen – somit gebührt die Homilie in der Konsequenz dem Vorsteher der Eucharistie, sprich einem Priester, der diese Aufgabe wiederum einem anderen Priester oder einem Diakon übertragen kann. Ein weiteres Argument, das damit zusammenhängt: Durch die Bindung der Homilie an das ordinierte Amt werde die Gleichrangigkeit und gleiche Wertschätzung für den "Tisch des Wortes" und für den "Tisch des Leibes und Blutes Christi" deutlich.
Trotz des Verbots ist es in den Pfarreien vielerorts üblich, dass Laien bei der sonntäglichen Eucharistiefeier den Predigtdienst übernehmen: hauptamtliche Gemeinde- oder Pastoralreferenten. Diese haben meistens die identische theologische und homiletische Ausbildung, die auch Priester durchlaufen haben. Dass dies nicht unterbunden wird, ist ein Zeichen, dass manche Oberhirten diese Praxis wenigstens tolerieren.
Ohnehin überzeugen die Argumente für die Verbindung von Amt und Homilie viele Kritiker nicht. Wenn die Fähigkeit zu predigen vor allem amtstheologisch begründet wird, sei es nicht nachvollziehbar, dass auch Diakone in der Eucharistiefeier predigen dürfen, wenden sie ein – schließlich repräsentieren sie durch ihr Amt nicht Christus als Haupt der Kirche. Zudem kommt es nicht selten zu der kuriosen Situation, dass ein Priester sich bei seiner Homilie einer publizierten Predigtvorlage eines Laien bedienen kann, dieser Laie dieselbe Homilie aber nicht vortragen darf.
Bischöfe preschen vor
Aktionen wie die in Osnabrück zeigen, dass die Debatte inzwischen schon weiter ist: Es geht längst nicht mehr darum, ob akademisch-theologisch ausgebildete Gläubige in der Messe das Wort Gottes "offiziell" auslegen dürfen, sondern auch "einfache" Katholiken. Zudem sind es die Bischöfe selbst, die in dieser Angelegenheit immer mehr Offenheit zeigen. Im Rahmen der Regionenkonferenzen des Synodalen Wegs Anfang September sagte etwa der Hildesheimer Weihbischof Heinz-Günter Bongartz, dass nicht nur geweihte Personen die Kompetenz hätten, das Wort Gottes alltagstauglich theologisch auszulegen. "Wir müssen überlegen, was die Predigt ist, was sie soll und welche Kompetenz man für sie benötigt – unabhängig davon, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist." Auch Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, hat bereits laut darüber nachgedacht, ob nicht auch begabte Nichttheologen in der Heiligen Messe die Heilige Schgrift auslegen könnten.
Andere hingegen haben Schwierigkeiten mit der Idee, dass auch ehrenamtliche Laien in der Eucharistiefeier predigen sollen. Der Münsteraner Bischof Felix Genn stellte ebenfalls bei den Regionenkonferenzen die Frage, welchen Wert dann das Theologiestudium habe, das unter anderem das kompetente Predigen zum Inhalt habe. "Es geht nicht um das Zeugnis, das alle Frauen und Männer abgeben könnten, meines Erachtens auch während der Liturgie, sondern um einen amtlichen Verkündigungsdienst", so Genn.
Der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann verweist in dieser Debatte auf das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen und ihren Auftrag, das Wort Gottes zu verkünden – was das Zweite Vatikanische Konzil deutlich herausgestellt hat. Deshalb spricht er sich grundsätzlich für Laienpredigten in Heiligen Messen aus: "Es ist eine Chance, die vielfältigen Begabungen, die es in der Kirche gibt, zu fördern", sagte er in einem Interview. Es müsse darauf geachtet werden, wer welche Kompetenzen mitbringe und wie man sie nutzen könne, damit Seelsorge und Liturgie wirklich gelingen könnten.
Inwiefern Laien ohne theologische und rhetorische Ausbildung dafür dienstbar gemacht werden können, müsse diskutiert werden, betonte der Liturgiewissenschaftler – letztendlich müsse die Qualität entscheidend sein. Denn eine Predigt, die durch die Woche tragen und einen Impuls für das christliche Leben geben solle, brauche eine entsprechende theologische Dichte. Kranemann hält Anlässe für vorstellbar, zu denen Menschen aus einem bestimmten Berufs- und Lebensumfeld predigen.
Doch ist es überhaupt realistisch, dass das Verbot der Homilie durch Laien gekippt wird? Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller wies zuletzt mehrfach daraufhin, dass Papst Franziskus in seinem Nachsynodalen Schreiben "Querida Amazonia" dafür die Tür geöffnet habe: Da der Pontifex in dem Schreiben die Verkündigung des Evangeliums als herausragende Aufgabe der Frauen herausstelle und sie geradezu zur Predigt auffordere, sollten sie künftig auch die vorrangigen Erstverkündigerinnen des Evangeliums sein und in der Eucharistiefeier die Homilie halten, so der Kirchenrechtler – schließlich hätten Frauen auch als Erste die Auferstehungsbotschaft bezeugt und damit die Erfolgsgeschichte des Christentums initiiert.
Aufhebung des Verbots beantragen?
Einen Vorschlag, wie diese regel gekippt werden könnte, hat er auch parat: Die deutschen Bischöfe sollen einen Antrag in Rom zu stellen, die bisherigen Regelungen zu revidieren und zu ermöglichen, dass auch nichtgeweihte Frauen und Männer unter zu beschreibenden Bedingungen nach dem Evangelium predigen dürfen. Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, sollen sich die deutschen Bischöfe mit anderen Bischofskonferenzen zusammenzuschließen – von diesen ermöglichten ohnehin einige bereits die Laienpredigt in der Messe.
Für Inga Schmitt, die die Frauenpredigt-Aktion im Bistum Osnabrück koordinierte, ist die entscheidende Frage der Debatte, wie es gelingen kann, das Evangelium "in unserer Zeit und in unserem Land" authentisch zu verkünden. Dabei müsse die Kirche auch das Potenzial der Laien heben, damit das Wort Gottes in der Gesellschaft ankomme – schließlich seine alle Gläubigen dazu aufgerufen, Zeugnis zu geben. Dass eine Predigt von Laien in einer Eucharistiefeier auch eine gewisse Qualität haben sollte, sei selbstverständlich: "Das schulden wir dem Wort Gottes und den Zuhörern." Aber auch hier würden sich Wege finden, wie man das sicherstellen kann, betont Schmitt.