Umbruch am Institut zu Missbrauchs-Prävention und Aufarbeitung
Beim Start vor einem Jahr mangelte es nicht an Ambitionen. In dem kleinen Ort Lantershofen an der Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sollte nicht weniger als ein "Zentrum für Grundlagenforschung zur Prävention und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs" entstehen. Die Initiative dazu kam von Triers Bischof Stephan Ackermann, zugleich Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. Die Leitung übernahm Oliver Vogt, bis dahin Interventionsbeauftragter des Erzbistums Köln für den Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch.
Von Beginn an blickte das Institut für Prävention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt (IPA) über den kirchlichen Tellerrand hinaus mit dem Ziel, Akteure im Kampf gegen Missbrauch zu vernetzen und nach neuen Ideen etwa im Bereich der Fortbildung Ausschau zu halten. Doch die vergangenen Monate verliefen anders als geplant. "Corona hat uns ziemlich ausgebremst", räumt Vogt ein, der zudem kürzlich bekanntgab, Mitte Oktober die Institutsleitung abzugeben.
Er gehe nicht im Streit, sondern aus persönlichen Gründen, betont Vogt. Seit rund zehn Jahren befasst er sich mit dem Thema Missbrauch. Das habe unglaublich viel Kraft und Substanz gekostet, erläutert der 50-Jährige. Der Familienvater wird künftig als Behördenleiter in kommunalen anstatt in kirchlichen Diensten stehen. Vogt verlässt das IPA zu einem Zeitpunkt, da es sich mit einem Trägerverein eine neue Struktur gibt. Der Verein soll den finanziellen Rahmen des Instituts abstecken und dafür sorgen, dass es zwar kirchennah bleibt, aber unabhängig von der Kirche agiert.
Am Dienstag konstituierte sich das Kuratorium des Vereins. In dem Gremium sitzen zehn Vertreter aus Kirche, Politik und Wissenschaft. Neben Bischof Ackermann sind dies etwa der der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sowie die Theologin Karlijn Demasure, Leiterin des neu eingerichteten interdisziplinären Zentrums zum Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen an der Saint Paul University im kanadischen Ottawa.
Sie sollen mit dazu beitragen, die bereits angeschobenen Projekte weiter nach vorne zu bringen. Als Beispiel nennt Vogt die Reihe "Kamingespräche", bei der sich Praktiker aus der Prävention mit Wissenschaftlern und Politikern austauschen. Eine Veranstaltung fand bereits statt, weitere werden folgen, wie der scheidende IPA-Leiter ankündigt. Ebenfalls in Planung: Eine Schriftenreihe zu Grundsatzfragen der Aufarbeitung. Welche Vorgaben des Datenschutzes sind zu beachten? Wie lassen sich Betroffene frühzeitig einbinden? So lauten einige der Fragen, die laut Vogt auf diesem Wege behandelt werden sollen.
Kritischer Blick auf Missbrauchsaufarbeitung der Kirche
Der Bedarf ist durchaus vorhanden, wie die Auseinandersetzungen um die Veröffentlichung einer Missbrauchs-Studie des Erzbistums Köln zeigen. "In der Aufarbeitung erleben wir derzeit eine Reihe von Ansätzen, die jedoch wenig koordiniert und schon gar nicht nach einheitlichen Regelungen oder Standards ablaufen", meint Vogt dazu. Davon unabhängig laufen erste Gespräche mit Bistümern zur wissenschaftlichen Auswertung der Wirksamkeit von bisher ergriffenen Maßnahmen. Ein Orden hat zudem um Unterstützung bei der Aufarbeitung angefragt.
Viel zu tun also für die kommissarische IPA-Leiterin Mary Hallay-Witte und Assistentin Jana Nowak. Er sei "guter Dinge", dass die Arbeit am IPA erfolgreich fortgesetzt werde, sagt Vogt. Von Lantershofen, so drückt Bischof Ackermann seine Hoffnung aus, sollen Impulse zu Zusammenarbeit und Vernetzung in Sachen Missbrauchsaufarbeitung ausgehen. "An Aufgaben mangelt es nicht."