Standpunkt

Der Papst sollte mehr für Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche tun

Veröffentlicht am 12.10.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der Papst hat dazu aufgerufen, dafür zu beten, dass Frauen größeren Anteil an kirchlicher Verantwortung bekommen. Für Ricarda Menne klingt das mit Blick auf Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche nach Vertröstung.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Als ich vor einigen Tagen die Gebetsmeinung des Papstes für den Monat Oktober las, wusste ich nicht, was ich davon halten soll: "Wir beten dafür, dass die Laien – insbesondere Frauen – aufgrund ihrer Taufgnade größeren Anteil an kirchlicher Verantwortung bekommen." Mein erster Impuls, gedanklich an den Papst und den Vatikan gerichtet: "Ruft nicht nur zum Gebet auf, sondern tut selber was! Ändert Euer Denken! Oder tretet vielleicht einfach mal zur Seite und lasst Raum und Zeit ..."

Auf einer Homepage stieß ich dann auf den Gedanken, dass Reformen in der Kirche kein Update seien, sondern gewissermaßen im Gebet mit Gott besprochen werden müssten und dass der Papst offensichtlich hoffe, über den unspektakulären Weg des Gebets einem Bewusstseinswandel in der Kirche die Tür zu öffnen. Ich finde diesen Blickwinkel bedenkenswert – aber der Beigeschmack von Vertröstung will nicht so ganz verschwinden.

Wenn ich dann nochmal genauer auf das Gebetsanliegen schaue: "Die Laien – insbesondere Frauen" mögen "größeren Anteil an kirchlicher Verantwortung bekommen". Ist Gott wirklich derjenige, den wir um so etwas bitten müssen? In einer Welt, in der Laien – Nicht-Kleriker – Verantwortung für Länder und Millionenvölker tragen? In einer Welt, die zwar noch weit entfernt ist von echter Geschlechtergerechtigkeit, in der es aber mittlerweile auf jedem Kontinent Länder gibt, in denen Frauen hohe Regierungsämter ausüben? Und wohlgemerkt: Es geht nur um einen "größeren Anteil an kirchlicher Verantwortung". Die Deutungshoheit, wie groß das Kuchenstück ist, dass die Laien und die Frauen dann bekommen sollen, lässt man sich im Vatikan gewiss nicht aus der Hand nehmen.

Da möchte ich doch mal im vollen Bewusstsein meiner Taufgnade sagen: Wie klein wird da eigentlich von Gott gedacht, der den Menschen als sein Abbild erschafft, und der jetzt mit Hilfe von Gebeten dazu beitragen soll, dass in seiner irdischen Dependence Menschen ohne Weihe und Menschen weiblichen Geschlechts ein bisschen mehr (aber bitte nicht zuviel!) an Verantwortung in einer seiner Kirchen bekommen?!

Von Ricarda Menne

Die Autorin

Ricarda Menne ist Lehrerin für Englisch, Geschichte und katholische Religion. Außerdem ist sie in der Hochschulpastoral der Bergischen Universität Wuppertal tätig.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.