Bischöfe und ZdK hätten "kein Mandat für eine Änderung"

Bormann: Deutsche Debatte über Sexualmoral "unter keinem guten Stern"

Veröffentlicht am 14.10.2020 um 09:41 Uhr – Lesedauer: 
Professor Franz-Josef Bormann ist Moraltheologe an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Tübingen.
Bild: © KNA

Stuttgart ‐ In Rom könnten die Diskussionen als "quasi-sektiererischer Sonderweg einer Teilkirche wahrgenommen" werden, sagt Moraltheologe Franz-Josef Bormann zum Synodalen Weg. Wer über alles reden wolle, müsse damit rechnen, dass er "am Ende nichts bewegt".

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Der Tübinger Moraltheologe Franz-Josef Bormann sieht die Debatten beim kirchlichen Reformprozess Synodaler Weg zur katholischen Sexualmoral "unter keinem guten Stern". In Rom könnten die Diskussionen als "quasi-sektiererischer Sonderweg einer Teilkirche wahrgenommen" werden, sagte Bormann am Dienstagabend in Stuttgart. Diskutiert werde mit Blick auf die Sexualmoral über viele weltkirchliche Vorgaben, bei denen die deutschen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) "kein Mandat für eine Änderung" hätten.

Wer über alles reden wolle, müsse damit rechnen, dass er "am Ende nichts bewegt", so Bormann. Stattdessen verlangte er, über die Fragen zu sprechen, die die Menschen direkt angingen und bei denen Änderungen vor Ort möglich seien. Insgesamt hält der Moraltheologe den Synodalen Weg für "dilettantisch vorbereitet". Zugleich räumte Bormann ein, dass Reformen der Sexualmoral dringend notwendig seien. Diese seien aber "universalkirchlicher Art" und müssten auch auf Ebene der Weltkirche geändert werden.

"Hineinregieren" der Kirche in Fragen der Sexualität

Der emeritierte Tübinger Sozialethiker Dietmar Mieth sprach sich für mehr Vertrauen in die moralischen Erfahrungen aus. Es gelte, Menschen auch da Freiheit zuzugestehen, wo sie falsch genutzt werden könne. Das "Hineinregieren" der katholischen Kirche in Fragen der Sexualität habe sich sehr stark erst im 19. Jahrhundert weiterentwickelt und ist für Mieth mit kirchlichen Machtansprüchen verbunden.

Bormann und Mieth sprachen in der katholischen Akademie zum Thema "Sexualität verstehen und gestalten". Bormann gehört dem Deutschen Ethikrat und der Ethikkommission der Bundesärztekammer an; zudem ist er Berater der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Mieth war im schweizerischen Fribourg weltweit der erste Nicht-Priester auf einem Lehrstuhl für katholische Moraltheologie.

Beim Synodalen Weg wollen DBK und ZdK über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland beraten. Ein Ziel ist, nach dem Missbrauchsskandal verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Die Initiative war ursprünglich auf zwei Jahre angelegt. Wegen der Corona-Pandemie wird sie allerdings nach derzeitigem Planungsstand nicht im Oktober 2021, sondern im Februar 2022 enden. Oberstes Organ ist die Synodalversammlung. Sie zählt 230 Mitglieder, die für eine möglichst große Bandbreite kirchlichen Lebens stehen sollen. Schwerpunktthemen des Reformdialogs sind die Sexualmoral, die priesterliche Lebensform, Macht und Gewaltenteilung sowie die Rolle von Frauen in der Kirche. (tmg/KNA)