Zweiter Lockdown auf dem Jakobsweg
Wegen der hohen Zahl an Covid-Neuinfektionen macht die nordspanische Region Navarra ab Donnerstag 15 Tage lang die Schotten dicht. Restaurants und Unterkünfte müssen schließen. Ohne triftigen Grund darf niemand ein-, aus- oder durchreisen. Davon betroffen sind auch Jakobspilger. Durch die Autonome Gemeinschaft Navarra, vergleichbar mit einem deutschen Bundesland, führt ein Fünftel des Hauptjakobswegs ("Französischer Weg") von den Pyrenäen bis Santiago de Compostela: knapp 150 von 750 Kilometern. Für diese Strecke ist nun bis in die erste Novemberwoche hinein der zweite Lockdown besiegelt, nachdem der komplette Jakobsweg bereits von März bis Juni brachgelegen hatte.
Die Abriegelung der Region schließt auch die zweite Variante des Jakobswegs ein, den "Aragonesischen Weg". Auf etwa 95 Kilometern durchläuft er von den zentraleren Pyrenäen und Aragonien her Navarra und vereint sich im bekannten Brückenort Puente la Reina mit der Hauptroute. Bislang war die Pilgerbewegung nach dem Neustart im Frühsommer mit Blick auf das Heilige Jakobusjahr trotz aller Widrigkeiten recht hoffnungsvoll angelaufen. Zwischen Juli und September trafen insgesamt 40.005 Pilger in Santiago ein und erhielten ihre Wallfahrtsurkunde.
Unverständnis nicht nur unter Gesundheitsexperten
Für Unverständnis sorgt nicht nur unter Gesundheitsexperten, dass Navarra die Abriegelung trotz der gravierenden Situation nicht sofort umsetzt, sondern erst noch die Spanien-Radrundfahrt durchlässt. Die Etappe an diesem Mittwoch startet in Navarras Hauptstadt Pamplona und kreuzt später in Estella den Jakobsweg. In zweieinhalb Monaten beginnt das Heilige Jakobusjahr 2021. Ein solches Jahr steht immer dann an, wenn der Gedenktag des Jakobus, der 25. Juli, auf einen Sonntag fällt. Bislang sorgten Heilige Jahre, zuletzt 2004 und 2010, stets für neue Pilgerrekordmarken.
Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela im äußersten Nordwesten Spaniens. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten. Die Grabstätte des heiligen Jakobus entwickelte sich neben Rom und Jerusalem im Mittelalter zu einem der drei Hauptziele der christlichen Pilgerfahrt. Seit 1982 Papst Johannes Paul II. und 1987 der Europarat zur Wiederbelebung der Jakobswege aufriefen, hat eine Renaissance dieser "europäischen Kulturbewegung" eingesetzt, wie die vor Corona immer weiter steigende Zahl von Pilgern belegt. (tmg/KNA)