Kirchenrechtler: Kardinal Meisner hätte 2010 anders handeln müssen
In der aktuellen Debatte um Vertuschungsvorwürfe in einem möglichen Missbrauchsfall im Erzbistum Köln sieht der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller Versäumnisse bei mehreren hochrangigen Kirchenmännern. Der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, hätte 2010 ebenso anders handeln müssen wie sein damaliger Personalchef, der heutige Hamburger Erzbischof Stefan Heße, sagte Schüller der "Kölnischen/Bonner Rundschau" (Samstag).
Grundsätzlich trage ein Bischof die Verantwortung, so Schüller. Und zu den Amtspflichten jedes Diözesanbischofs gehöre eine Anzeige solcher Fälle bei der Glaubenskongregation in Rom. Diese Anzeige sei jedoch "pflichtwidrig ausgeblieben", wie das Erzbistum Köln selbst mitgeteilt hatte. Ein Bischof müsse bei solchen Angelegenheiten aber auch in jedem Schritt des Verfahrens durch den Personalchef, also damals Heße, sowie den mit der Untersuchung beauftragten Kirchenrechtler unterrichtet werden, betonte Schüller. Zur Rolle Heßes ergänzte der Kirchenrechtler, dieser hätte veranlassen müssen, dass die Anhörung des beschuldigten Pfarrers verschriftlicht werde. Außerdem wäre es "Amtspflicht" gewesen, weitere Nachforschungen im sozialen Umfeld des Priesters und seiner mutmaßlichen Opfer anzustellen, nachdem die mutmaßlichen Opfer 2010 nicht mehr hatten aussagen wollen.
Heße weist alle Vorwürfe gegen seine Person zurück
Konkret geht es um einen Pfarrer, der sich in den 1990er-Jahren an seinen minderjährigen Nichten vergangen haben soll. 2010 hatte die Staatsanwaltschaft gegen den Geistlichen ermittelt. Meisner hatte den Geistlichen daraufhin suspendiert, dies aber 2011 wieder aufgehoben, da ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingestellt worden war. 2019 untersagte Meisners Nachfolger Rainer Maria Woelki dem Pfarrer die Ausübung des Dienstes, 2020 klagte die Staatsanwaltschaft Köln den Geistlichen an.
In der aktuellen Debatte, ausgelöst durch verschiedene Medienberichte, geht es unter anderem darum, ob Heße anders hätte handeln müssen und ob er und andere Verantwortliche bewusst Informationen vertuscht, verschwiegen oder nicht weitergegeben haben. Strittig ist dabei auch, ob es ein Schuldeingeständnis des beschuldigten Priesters gab, was in diversen Notizen zu dem Fall steht und wer davon wusste. Der Hamburger Erzbischof weist alle Vorwürfe gegen seine Person zurück und sieht sich durch verschiedene Veröffentlichungen des Erzbistums Köln vom Vorwurf der Vertuschung entlastet. (KNA)