"Feinschwarz"-Chefin: Müssen nicht Positionen aller Gläubigen abbilden
Angefangen hat es mit fünf Theologinnen und Theologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Inzwischen ist "feinschwarz.net" einer der erfolgreichsten christlichen Blogs. Im Interview erklärt Birgit Hoyer, warum es "feinschwarz.net" überhaupt braucht und wohin sich das Portal in Zukunft noch entwickeln soll.
Frage: Frau Hoyer, Sie waren eine der Theologinnen und Theologen, die vor fünf Jahren das Portal "feinschwarz.net" gegründet haben. Was war die Grundidee, mit der Sie angefangen haben?
Hoyer: Wir waren fünf Theologinnen und Theologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die alle Erfahrung mit konventionellen theologischen Zeitschriften hatten. Aus dieser Erfahrung heraus wollten wir unabhängig von Verlagen und deren Sicht auf Leserinteressen und Marktanalysen Theologie treiben und sie unters Volk bringen. Wir wollten das gleichzeitig auch dialogisch und diskursiv anlegen. Wir waren daran interessiert, was Menschen heute der Theologie zu sagen haben. Deshalb wollten wir im Stil eines Feuilletons Theologie treiben und nicht in wissenschaftlichen langen Artikeln. Dafür bieten sich digitale Möglichkeiten sehr gut an. Wir sind ins kalte Wasser gesprungen und es hatte seinen Reiz, so ein Wagnis einzugehen.
Frage: "feinschwarz.net" bezeichnet sich als theologisches Feuilleton. Was bedeutet das für Sie konkret?
Hoyer: Der Grundgedanke ist, dass wir mit Inhalten und Formaten experimentieren und ein breites Feld von Autorinnen und Autoren aufbauen. Wir wollen uns nicht festlegen lassen; Essays und Interviews genauso publizieren wie Spirituelles oder wissenschaftliche Theologie. Wo wir auf jeden Fall noch Luft nach oben haben, ist im Bereich ironischer Textsorten wie der Glosse. Es ist auch einigermaßen schwierig, Humoriges im Digitalen und in den sozialen Netzwerken rüberzubringen.
Frage: Inwiefern stehen Sie damit auch im Kontrast zu etablierten theologischen Fachzeitschriften?
Hoyer: Ich sehe "feinschwarz.net" nicht generell als Kontrast, sondern als Bereicherung der theologischen Publikationslandschaft. Wichtig ist uns, keine leeren Worte und hohlen Phrasen, sondern Klartext zu sprechen. Der braucht Kürze und Prägnanz. Wir haben festgestellt, dass wir häufig zwischendurch und unterwegs gelesen werden. Deswegen wollen wir die Lesehürde nicht zu hoch setzen und haben uns für eine Obergrenze von 10.000 Zeichen entschieden. Damit möchten wir die unterschiedlichen Lesegewohnheiten bedienen und es möglich machen, Theologie auch im Alltag zu lesen.
Frage: Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Themen aus?
Hoyer: Die Themen werden uns von der Gesellschaft vorgegeben, das kann tagesaktuell sein oder längere Themenlinien betreffen. Wir haben keine harten Kriterien, außer den ersten Satz von "Gaudium et spes": "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi." Das lässt uns natürlich eine große Freiheit. Von daher gibt es nichts, was nicht auch Thema auf "feinschwarz.net" sein könnte.
Frage: Und nach welchen Kriterien wählen sie die Autoren aus? Müssen das immer Theologen sein?
Hoyer: Nein – auch wenn die Mehrheit schon Theologinnen und Theologen sind. Wir haben aber auch Autorinnen und Autoren aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen, aus der Politik oder Glaubende in und außerhalb der Pfarreien. Wir sind grundsätzlich daran interessiert, Expertinnen und Experten für ein Thema zu finden, die einen interessanten neuen Blick auf manche Zusammenhänge werfen.
Frage: Ihr Portal kommt eher progressiv daher. Müssten Sie nicht häufiger auch andere kirchliche Perspektiven abbilden?
Hoyer: Das Schöne ist unsere Freiheit. Wir haben eine Breite, sind aber nicht einer Ausgewogenheit oder einem Für und Wider verpflichtet. Es geht darum, Dinge zuzuspitzen und dadurch auch Gegenrede zu provozieren. Wir haben aus meiner Sicht eine sehr lebendige Kultur der Leserbriefe und in den Debatten gibt es für uns keine Tabus. Aber wir sind kein Pressedienst, sondern haben eine klare, theologisch-progressive Richtung, die nicht gegen säkulare Zusammenhänge anschreibt, sondern eine Theologie, die sich ganz klar im säkularen Raum verortet.
Frage: Wenn manche Gläubige Ihre Position auf "feinschwarz.net" nicht abgebildet sehen, ist das für Sie ein Problem?
Hoyer: Nein. Wir sind ja nicht das einzige Medium und es ist schön, dass es eine große Vielfalt gibt. Es muss sich nicht jede und jeder auf "feinschwarz.net" wiederfinden. Wir müssen nicht für alle da sein – und nicht jeder muss "feinschwarz.net" lesen. Dass wir aber vieles richtig machen, zeigen uns unsere Zahlen und die Rückmeldungen der Leserinnen und Leser.
"Öffentliche Theologie" im Internet
Sie wollen über ihre Fachgrenzen hinaus wirken und gesellschaftliche Diskussionen anstoßen: theologische Online-Feuilletons. Wir stellen drei Internetseiten vor, die unterschiedliche Ansätze für ihre "öffentliche Theologie" verfolgen.
Frage: Warum braucht es überhaupt ein Portal wie "feinschwarz.net"? Findet der theologische Diskurs zu wenig in der Öffentlichkeit statt, oder sind die Beiträge zu unverständlich?
Hoyer: Es ist nicht nur ein kirchliches oder theologisches Phänomen, dass Diskurse im Moment nicht immer öffentlich geführt werden. Das merkt man auch an den verhaltenen Diskursen über die Gefährdungen der Demokratie. Die Freude am Diskurs ist also grundsätzlich ausbaufähig. Wir wollen dazu anregen, dass theologisch fundiert und reflektiert über Themen diskutiert wird. Einen kleinen Beitrag bieten wir schon im innerkirchlichen Raum, doch wir arbeiten daran, das noch stärker auch in eine nicht-kirchliche Öffentlichkeit zu bringen, wenn es etwa um Themen wie Rassismus, Nachhaltigkeit oder Geschlechtergerechtigkeit geht.
Frage: Finden Sie im außerkirchlichen Raum vielleicht auch deswegen keine so große Reichweite, weil Ihre Themen zu akademisch und anspruchsvoll sind?
Hoyer: Das kann sein. Ich stelle immer wieder fest, dass wir sehr in theologischen Begriffen aus dem kirchlichen Binnenbereich formulieren. Es hat schon etwas mit der Sprachfähigkeit zu tun, an der wir sicher noch arbeiten können. Das ist ein grundsätzliches Thema von Theologie, Kirche und Wissenschaft an sich. Wir wollen deswegen die Vielfalt unserer Autoren und Autorinnen noch weiter ausbauen und auch von ihnen lernen. Man ist nie damit fertig, praktische Theologie im wörtlichen Sinne zu betreiben. Das gelingt nie perfekt, sondern ist dadurch charakterisiert, dass man immer in Bewegung ist und sich annähert.
Frage: Was hat sich in den letzten fünf Jahren auf "feinschwarz.net" am meisten verändert?
Hoyer: Vor allem die Zahl der Autorinnen und Autoren und die Redaktion haben sich vergrößert. Das bedeutet eine größere inhaltliche Pluralität, da wir keine Chefredaktion haben und immer zwei bis drei Kolleginnen oder Kollegen selbst für die Monatsredaktion verantwortlich sind und so ganz unterschiedliche kreative Ideen entwickeln.
Frage: Wohin soll sich "feinschwarz.net" in Zukunft noch entwickeln?
Hoyer: "feinschwarz.net" soll noch stärker in gesellschaftlichen Diskursen sichtbar und hörbar werden, sich einmischen, mitgestalten und damit auch Leserinnen und Leser erreichen, die sich gewöhnlich nicht für Theologie oder Kirche interessieren. Wir arbeiten daran, als gesellschaftlicher Akteur wahrgenommen zu werden. Der Weg dorthin ist ein ständiger Lern- und Entwicklungsprozess. Deshalb kann ich nicht konkret sagen, wo wir mit "feinschwarz.net" genau hinwollen. Die Frage ist eher, wohin uns die gesellschaftlichen Fragen und der Austausch zwischen unseren Autorinnen und Autoren und den Leserinnen und Lesern treiben.