Vielzahl an Seminaren und Fakultäten entspreche nicht realen Bedürfnissen

Timmerevers: Bei Priesterausbildung ist "Konzentration" angesagt

Veröffentlicht am 02.11.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ Eine Empfehlung zur Reform der Priesterausbildung wird weiterhin kontrovers diskutiert. Zur bischöflichen Arbeitsgruppe, die das Konzept ausgearbeitet hat, gehört auch Heinrich Timmerevers. Im Interview äußert er sich jetzt zur Kritik an dem Plan.

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"Es ist de facto nicht mehr als ein Reformvorschlag, eine Option", sagt Bischof Heinrich Timmerevers über das von ihm mitentwickelte Konzept zur Konzentration der Priesterausbildung auf wenige Standorte. Im Interview spricht er auch darüber, wie es mit der Priesterausbildung in Deutschland jetzt weitergehen sollte. 

Frage: Herr Bischof, der Vorschlag Ihrer Arbeitsgruppe für eine Zentralisierung der Priesterausbildung erntete bei der Vorstellung viel Kritik – vor allem von Bischöfen und Hochschultheologen...

Timmerevers: Ich glaube dennoch, es war gut, dass wir uns am Ende nicht von traditionsbehafteten Rahmenbedingungen haben irritieren lassen. Der eine hat ein historisches Argument für den Erhalt eines Priesterseminars, der andere ein kirchenrechtliches, wieder ein anderer ein staatskirchenrechtliches. Ab einem bestimmten Punkt hat sich unsere Arbeitsgruppe dann nur noch darauf konzentriert: Welche Standards und Kriterien sind für eine zukünftige Priesterausbildung von Bedeutung, und wo sind Orte dafür? Diese Standorte haben wir jenseits aller Rahmenbedingungen aufgelistet.

Frage: Vor Kurzem hat ein Gespräch von Mitgliedern der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizer Bischofskonferenz mit Vertretern der deutschsprachigen Theologie über die Standorte für katholische Fakultäten an deutschen Hochschulen stattgefunden. Gibt es einen Impuls, den Sie daraus mitgenommen haben?

Timmerevers: An diesem Termin habe ich selbst nicht teilgenommen. Aber ich habe das Statement des Berliner Dogmatik-Professors Georg Essen daraus wahrgenommen. Er meinte, dass die Theologie über die Ausbildung von Priestern, pastoralen Mitarbeitern und Religionslehrkräften hinaus von vitaler Bedeutung für die Kirche sei. Der zentrale Ort der Selbstreflexion der Kirche seien Fakultäten, die in staatlichen Hochschulen in Forschung und Lehre interdisziplinär fest verankert sind. Vor diesem Hintergrund sei die Bindung des Fakultätsstatus an die Priesterausbildung nicht mehr zeitgemäß. Diesen Hinweis finde ich hilfreich und unterstütze diese Position.

Frage: Wie geht es nun weiter?

Timmerevers: Es ist de facto nicht mehr als ein Reformvorschlag, eine Option. Die Bischofskonferenz kann nicht beschließen, dass ein Priesterseminar geschlossen wird. Das ist immer Sache und Verantwortung der Ortsbischöfe. Sie müssen letztlich entscheiden, wo sie ihre Priesteramtskandidaten zur Ausbildung hinschicken. Unsere Arbeitsgruppe wird ihren Vorschlag noch mal schriftlich darstellen und die Kriterien fixieren. Das wird bei nächster Gelegenheit im Ständigen Rat der Bischofskonferenz erörtert werden.

Bischof Timmerevers verteidigt Vorschläge zur Priesterausbildung

Auch von bischöflicher Seite gab es bereits Kritik an den Plänen zur Neuausrichtung der Priesterausbildung in Deutschland: Nun verteidigt Dresdens Oberhirte Heinrich Timmerevers die Überlegungen – und begründet das mit Zahlen.

Frage: Hat Sie die breite Kritik an dem Reformvorschlag überrascht?

Timmerevers: Nein. Ich habe immer gesagt: Ich bin in der Situation, wo ich nichts verlieren, sondern nur gewinnen kann – denn wir haben im Bistum Dresden-Meißen schon lange kein eigenes Priesterseminar vor Ort. Unsere Priesteramtskandidaten waren in Erfurt und an anderen Stätten. Ich denke, es ist für einen Bischof schon schwer, wenn er das diözesane Priesterseminar aufgibt. Es erfordert Vertrauen und gute Absprachen, wenn die Priesterkandidaten in einem anderen Bistum ausgebildet werden.

Frage: Ist es nicht frustrierend, wenn man so eine umfassende Reform erarbeitet, und am Ende wird sie vielleicht keiner umsetzen?

Timmerevers: Ich glaube schon, dass bei den Bischöfen sehr wohl die Einsicht gewachsen ist, dass das, was derzeit in der Ausbildung der pastoralen Berufe angeboten wird, ein Zuviel ist. Konzentration ist angesagt. Ich hoffe sehr, dass die Einsicht weiter wächst, dass wir auch nicht alles halten können. Die Vielzahl der Priesterseminare und theologischen Fakultäten, die wir derzeit in Deutschland haben, ist etwas, das die Situation der 1960er- und 1980er-Jahre widerspiegelt. Aber da sind wir nicht mehr – wir leben 2020. Das entspricht nicht mehr den realen Bedürfnissen und Anforderungen.

Frage: Sind Priesterseminare als Orte, wo angehende Priester während ihrer Ausbildung wohnen müssen, noch sakrosankt, oder gibt es da inzwischen Alternativen?

Timmerevers: Ja, die gibt es. In den Kriterien unserer Arbeitsgruppe weisen wir auf die Möglichkeit hin, dass die Kandidaten nach einem Grundstudium in Wohngemeinschaften in den Pfarreien wechseln können, also in einer sogenannten vita communis leben. Damit erfahren sie das Pfarreileben, haben aber auch qualifizierte Begleiter und Seelsorger an ihrer Seite. Die in unserem Arbeitspapier genannten Ausbildungsorte haben unseres Erachtens das Potenzial dafür – aber es muss auch von Bischöfen angeschoben und gewollt werden und sich in Ausbildungskonzepten wiederfinden.

Von Karin Wollschläger (KNA)