McCarrick-Report – Polens Bischöfe verteidigen Johannes Paul II.
Die katholische Kirche in Polen hat Papst Johannes Paul II. nach dem Untersuchungsbericht des Vatikan über Verfehlungen des früheren US-Kardinals Theodore McCarrick in Schutz genommen. McCarrick habe Johannes Paul II. (1978-2005) in seinem Brief vom 6. August 2000 angelogen, als er sagte, er habe mit niemanden eine sexuelle Beziehung gehabt, erklärte der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, am Freitag: "Der Fall des ehemaligen Kardinals McCarrick ist auch ungerecht für den heiligen Johannes Paul II., der von ihm zynisch betrogen wurde."
Er verwies auch darauf, dass der damalige Papst von den US-amerikanischen Bischöfen vor McCarricks Nominierung als Erzbischof von Washington "keine vollständigen Informationen über dessen moralisches Verhalten" bekommen habe. Die Kirche antworte auf den McCarrick-Bericht mit den Worten von Papst Franziskus: Dieser habe seine Nähe zu den Opfern jeglichen Missbrauchs betont und den Einsatz der Kirche unterstrichen, dieses Übel auszurotten, so der Erzbischof von Posen (Poznan).
Systemisches Versagen der Kirchenhierarchie
Am Dienstag hatte der Vatikan einen rund 450-seitigen Bericht der Kurienleitung über den Aufstieg des heute 90-jährigen McCarrick vorgelegt, der zu den einflussreichsten US-amerikanischen Geistlichen in der katholischen Kirche gehörte. Nach Vorwürfen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen wurde McCarrick 2018 aus dem Kardinalsstand und 2019 aus dem Klerikerstand entlassen.
In dem Bericht wird ein systemisches Versagen der Kirchenhierarchie deutlich, seit den 90er-Jahren kursierende Hinweise auf moralisches Fehlverhalten des damaligen Bischofs ernstzunehmen; dazu gehörte auch ein Missbrauch seiner Machtposition für die sexuelle Ausbeutung erwachsener Priesteramtskandidaten und Geistlicher.
Johannes Paul II. wird in seinem Heimatland Polen von Katholiken sehr verehrt. Ihm wird auch die Beendigung des kommunistischen Regimes in Warschau 1989 zugeschrieben. 2014 sprach ihn Papst Franziskus heilig.
Unterdessen meldete sich auch der frühere Papstbotschafter in den USA, Erzbischof Carlo Maria Vigano, zum McCarrick-Report zu Wort. Er sei für den jüngst vorgelegten Bericht zum Ex-Kardinal nicht befragt worden, sagte Vigano dem privaten katholischen US-Sender EWTN (Donnerstag Ortszeit). Es sei für ihn "völlig unverständlich und anomal", dass er nicht zur Aussage aufgefordert worden sei. Ein elfseitiges Schreiben Viganos im Sommer 2018, in dem er die Vatikanspitze der Vertuschung bezichtigte, war einer der Auslöser des jetzt veröffentlichten Untersuchungsberichts.
Vigano wirft den Verfassern des von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin vorgelegten Berichts Mängel und weitere Vertuschung vor. So sei etwa ein Mann nicht als Zeuge befragt worden, der als einziger McCarrick auch öffentlich beschuldigt habe.
Keine Belege für Viganos Behauptung
Zudem weist der Erzbischof Vorwürfe zurück, als Nuntius (2011-2016) habe er Aufträge aus dem Vatikan zu weiteren Untersuchungen im Fall McCarrick nicht ausgeführt. Ebenso erneuert er seine Behauptung, bereits im Juni 2013 habe er Papst Franziskus darüber informiert, dass es im Vatikan ein "dickes Dossier" über McCarrick gebe. Trotzdem sei dieser erst im Juli 2018 aus dem Kardinalsstand entlassen worden. Laut dem aktuellen Untersuchungsbericht gibt es für Viganos "stark umstrittene" Behauptung keine Belege.
Als Hauptverantwortliche im Vatikan, die eingehendere Untersuchungen und ein Verfahren gegen McCarrick behindert hätten, nennt Vigano in dem Interview unter anderen die früheren Staatssekretäre Angelo Sodano (1991-2006) und Tarcisio Bertone (2006-2013). Vigano, der seit der Veröffentlichung seiner Vorwürfe im Herbst 2018 nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten ist und zuletzt durch mehrere verschwörungstheoretische Stellungnahmen auffiel, wurde in dem EWTN-Interview telefonisch befragt. (tmg/KNA)