Bischof Dieser wünscht sich von Vorgänger Mussinghoff Zeichen der Reue
Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat seinen Amtsvorgänger Heinrich Mussinghoff darum gebeten, keine juristischen Schritte gegen das vom Bistum Aachen in Auftrag gegebene Missbrauchsgutachten einzuleiten. Aus Rücksicht auf die Perspektive der Opfer sei in diesem Punkt Zurückhaltung geboten, sagte Dieser am Montag bei einer Pressekonferenz in Aachen. Bei dem Online-Termin äußerten sich Dieser, sein Generalvikar Andreas Frick und Margherita Onorato-Simonis, die Leiterin der Hauptabteilung Personal der Aachener Diözesanverwaltung, zur am Donnerstag vorgestellten Untersuchung der Münchner Anwaltskanzlei Westphal Spilker Wastl.
Das unabhängige Gutachten zum Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs im Bistum Aachen hatte den früheren Bischof Mussinghoff und dessen Generalvikar Manfred von Holtum belastet. Beide seien mehr am Schutz der Täter interessiert gewesen als an der Fürsorge für die Opfer. Die frühere Bistumsspitze hatte daher das Gutachten bereits vor seiner Veröffentlichung kritisiert und ihre Besorgnis vor unberechtigten Schuldzuweisungen und einem unfairen Verfahren ausgedrückt. Falls Mussinghoff dennoch den Rechtsweg beschreiten werde, sei das zu respektieren, so Dieser nun.
Mussinghoff und von Holtum befänden sich in einem "Prozess der Selbstreflexion", so Dieser weiter. Diese Erfahrung sei sicherlich "schmerzhaft". Er wünsche sich zudem ein "Zeichen der Reue" von seinem Amtsvorgänger. Ein Weg könne eine angemessene, freiwillige Zahlung in einen Bistumsfonds für Anerkennungszahlungen an Missbrauchsopfer sein, so Dieser. Der Aachener Bischof forderte auch weitere Geistliche der Diözese auf, zu diesem Zweck zu spenden. Er wolle damit besonders frühere Verantwortungsträger ansprechen. In diesem Zusammenhang benutzte Generalvikar Frick auch den Begriff "Bußgeld".
Dieser bekräftigte jedoch, weiterhin mit Mussinghoff in Kontakt zu stehen. Er wolle zu seinem Amtsvorgänger "Brücken bauen". Die neuen Regeln für Anerkennungszahlungen an Missbrauchsopfer würden mit Beginn des neuen Jahres im Bistum Aachen in Kraft treten; damit seien auch höhere Geldsummen verbunden. Diese solle man nicht aus Kirchensteuermitteln entnehmen, so Dieser. "Das System Kirche hat bei Missbrauch versagt, deshalb wollen wir hier auch in der Kirche sparen." Zudem kündigte Dieser die Einrichtung eines Betroffenenbeirats und einer unabhängigen Kommission zu Missbrauch in seinem Bistum an.
Rolle des Erzbistums Köln und Kardinal Woelkis
Auf Fragen von Journalisten entgegnete Dieser, dass weder das Erzbistum Köln noch Kardinal Rainer Maria Woelki versucht hätten, die Veröffentlichung des Aachener Missbrauchsgutachtens zu verhindern oder weitere Informationen zur Untersuchung angefordert hätten. Ende Oktober hatte das Erzbistum die Veröffentlichung eines bei der gleichen Anwaltskanzlei wie das Bistum Aachen in Auftrag gegebenen Missbrauchsuntersuchung mit Verweis auf fachliche Mängel untersagt. Dieser Schritt hatte in der Öffentlichkeit zu Irritationen, Unverständnis und teils heftiger Kritik geführt.
Dieser und Frick zeigten sich zudem selbstkritisch. Das Gutachten habe seine bisherige Arbeit als Bischof nicht beanstandet, doch er habe sich keinen "Persilschein" ausstellen lassen wollen, so Dieser. Er wolle sich weiterhin überprüfen lassen. Frick gab an, "keine vollständige Entlastung" zu fühlen, da es wahrscheinlich eine hohe Dunkelziffer an Missbrauchsfällen gebe, die ihn beunruhige. Der Aachener Bischof zeigte sich zudem erschüttert davon, wie schwer es Kirchenmännern falle, auch nach dem Öffentlichwerden des Missbrauchsskandals vor zehn Jahren, Verantwortung zu übernehmen. Es herrsche weiterhin der "Reflex der Schuldabwehr und des Schutzes der Institution" vor. "Wir müssen als Kirche in diesem Punkt weiterkommen", so Dieser, auch durch einen "Kulturwandel gegen Klerikalismus".
Er sei gespannt auf die Reaktionen auf die Aachener Untersuchung aus den anderen Bistümern, sagte Dieser. Eine positive Reaktion habe er schon erhalten. Er gehe davon aus, dass die Ergebnisse nicht nur für seine Diözese gelten würden, sondern für die ganze Kirche in Deutschland. Daher werde man sich auch in der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Missbrauchsbericht auseinandersetzen. (rom)