"Hart aber fair": Bätzing übt heftige Kritik an Sterbehilfe-Urteil
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, hat heftige Kritik am Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suidzidbeihilfe geäußert. Er sei schockiert über den Richterspruch. Es sei "unerhört", dass sich Karlsruhe so einseitig auf die Weltanschauung von Sterbehilfebefürwortern gestützt habe, sagte der Limburger Bischof am Montagabend in der ARD-Sendung "Hart aber Fair".
Eine Abwägung zwischen den Grundrechten auf Selbstbestimmung und Lebensschutz habe nicht stattgefunden, so der Bischof. Das Gericht habe damit eine Dynamik ausgelöst, die möglicherweise nicht mehr einzufangen sei, sagte Bätzing auch mit Blick auf die steigenden Zahlen bei aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden. Ein Dammbruch sei zu befürchten.
Kritik kam auch von der Vorsitzenden der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna. Dass Karlsruhe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben festgelegt habe, sei in Ordnung, sagte sie. Ein Paukenschlag sei aus ihrer Sicht aber, dass die Richter dieses Recht schrankenlos und unabhängig von Alter oder Gesundheitszustand sähen. Deutschland habe damit eine liberalere Regelung als alle anderen europäischen Staaten.
Medizinethikerin begrüßt Gerichtsentscheidung
Die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert begrüßte demgegenüber die Gerichtsentscheidung. Einen Dammbruch befürchte sie nicht. Es werde vielmehr ein Notausgang geschaffen. Das Gericht habe deutlich gemacht, dass die Selbstbestimmung des Menschen nicht beim eigenen Sterben aufhöre. Karlsruhe habe zugleich dafür gesorgt, dass der Gesetzgeber einen Schutzwall aufstellen könne, um die Freiverantwortlichkeit zu sichern.
Im Februar hatte das Bundesverfassungsgericht ein weit reichendes Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben formuliert. Es schließe die Freiheit ein, auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, so die Karlsruher Richter.
In der Sendung "Hart aber fair" wurde über Ferdinand von Schirachs Kammerspiel "Gott" diskutiert, in dem ein fiktiver Ethikrat Themen wie Beihilfe zum Suizid, Selbstbestimmung am Lebensende und die Frage, wem das Leben gehört, debattiert. Konkret geht es um den Fall eines 78-jährigen, kerngesunden, aber lebensmüden Mannes, der sein Leben durch ein Medikament und mit Hilfe seiner Ärztin beenden will. Die Zuschauer wurden aufgefordert, darüber abzustimmen, ob er das Medikament erhalten soll. 70,8 Prozent der deutschen Zuschauer stimmten mit Ja, 29,2 Prozent mit Nein. In der Schweiz wurde das Stück ebenfalls gezeigt. Bei der anschließenden Abstimmung entschieden sich 68 Prozent für Ja.
Auch der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker nahm zum Fernsehfilm "Gott" Stellung und wandte sich gegen ein Recht auf Selbsttötung und Beihilfe zur Selbsttötung. "Suizid ist keine moralisch verantwortbare Möglichkeit", erklärte er am Montagabend in Paderborn. "Gott ist der Schöpfer allen Lebens, und deshalb hat der Mensch in allen Phasen seines Lebens eine unverfügbare und unveräußerliche Würde", so Becker. "Vor dieser seiner Würde muss der Einzelne selbst Respekt haben, er darf sich nicht gegen sich selbst wenden." Statt "Hilfe zum Sterben" dürfe es nur "Hilfe beim Sterben" geben, wie sie etwa in Hospizen und durch die Palliativmedizin geleistet werde. Dies sei der einzige Weg, den der Respekt vor der Würde des Menschen und die Nächstenliebe erlaubten.
Der Paderborner Moraltheologe Peter Schallenberg betonte, die Selbstbestimmung eines Menschen habe ethische Grenzen. Wer die Autonomie des Menschen über sein biologisches und medizinisch zu erhaltendes Leben stelle, schaffe letztlich den Menschen ab oder gebe ihn der Selbstabschaffung preis. "Einen Kranken zu töten, der um Euthanasie bittet, bedeutet keineswegs, seine Autonomie anzuerkennen und zur Geltung kommen zu lassen", so der katholische Theologe. "Es bedeutet vielmehr, den Wert seiner Freiheit, die möglicherweise stark von Krankheit und Schmerz bedingt ist, und den Wert seines Lebens zu verkennen."
Bischof Fürst begrüßt ARD-Themenabend
Bischof Gebhard Fürst, Vorsitzender der DBK-Unterkommission Bioethik, begrüßte die von der ARD angestoßene Debatte zur Suizidbeihilfe. Die Gesellschaft müsse intensiv darüber diskutieren, was Selbstbestimmung an den Rändern des Lebens bedeute, wie Solidarität und menschenwürdige Begleitung im Sterben aussähen und was mit einer Gesellschaft passiere, die das Leiden ausblende und abspalte, erklärte Fürst am Dienstag in Bonn.
Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof warnte zugleich vor einem Trend zur Liberalisierung von aktiver Sterbehilfe und Suizidbeihilfe. "Als Christen sind wir überzeugt, dass das Leben wertvoll ist. Dieses Leben ist dem Menschen geschenkt und zur Gestaltung aufgegeben", so Fürst. "Man kann letztlich nicht das Leben bejahen und es zugleich beenden."
Deshalb sollte alles Bemühen von Gesellschaft, Politik und Kirche der Hilfe zum Leben gelten und nicht der Hilfe zum Sterben. Zu befürchten sei zudem ein unterschwelliger Druck auf alte, behinderte und kranke Menschen, ihren Angehörigen, der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem nicht zur Last zu fallen und lieber dem Leben ein Ende zu setzen. (tmg/KNA)
24.11., 10:25 Uhr: Ergänzt um Becker und Schallenberg. 16:30 Uhr: Ergänzt um Fürst.